Thomas Wirnsperger

Recht

22.08.2019

Welche geplanten Änderungen sind zu erwarten?

Der tragische Zwischenfall, bei dem eine Wanderin von einer Kuh getötet wurde, hat langfristige Diskussionen über Haftungsfragen ausgelöst. Rechtzeitig vor Beginn der Alm-Saison hat die Regierung eine Neuregelung beschlossen und Verhaltensregeln für Wanderer vorgelegt.

Es gehört zu den Gerichtsverfahren, über die in ganz Österreich monatelang diskutiert wurde: jenes erstinstanzliche Zivilgerichtsurteil, in dem ein Tiroler Almbauer auf Grund einer tödlichen Kuhattacke auf eine 45-jährige Touristin zu einer hohen Schadenersatzzahlung verurteilt wurde. Die Frau war mit ihrem Hund auf einem öffentlichen Wanderweg unterwegs, als sie beim Passieren einer Mutterkuhherde von den Tieren attackiert und getötet wurde.

Abzäunung von Wanderwegen?

Obwohl sich die Rechtsprechung nicht zum ersten Mal mit der Frage beschäftigt hat, wie weit die Anforderungen an den Tierhalter bei der Weide- und Almhaltung gehen, hat die Entscheidung sowohl bei Landwirten, aber auch Tourismusverantwortlichen und Wegehaltern (und damit auch in vielen Gemeinden) Unsicherheit ausgelöst. Und das, obwohl die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in die Richtung geht, dass Weide- und Almflächen gegenüber Wanderwegen im Allgemeinen nicht generell abgezäunt werden müssen.

Im Einzelfall – wenn es beispielsweise bereits zu Vorfällen gekommen ist – kann es dem Tierhalter aber nicht erspart werden, weitergehende Maßnahmen zu treffen. Noch bevor das Tiroler Verfahren juristisch abgeschlossen ist (gegen das ausführlich begründete Urteil wurde berufen) hat nun der Bund reagiert und im Haftungsrechtsänderungsgesetz 2019 eine Novellierung des § 1320 ABGB vorgeschlagen. Die Novelle befindet sich gerade im Begutachtungsverfahren.

§ 1320 ABGB ist der „Klassiker“ unter den Haftungsbestimmungen, wenn es um die Tierhalterhaftung – gleich ob Kühe, Hunde, Hühner oder andere Tiere – geht.  Die Bestimmung normiert eine Haftung für denjenigen, der ein Tier „angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat“. Der Tierhalter muss im Verfahren die Erfüllung seiner Sorgfaltspflicht beweisen, das heißt, dass er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hat.

10 Verhaltensregeln für den Umgang mit Weidevieh

Neuregelung beschränkt sich auf Alm- und Weidewirtschaft und setzt bei der Sorgfaltspflicht von Landwirt und Wanderer an

Gerade bei dieser Sorgfaltspflicht setzt die geplante Ergänzung des § 1320 ABGB an. § 1320 ABGB soll um einen zweiten Absatz erweitert werden, der in der Alm- und Weidewirtschaft dem Tierhalter bei Beurteilung der Frage, welche Verwahrung erforderlich ist, ermöglicht, auf anerkannte Standards der Viehhaltung zurückzugreifen. Solche Standards liegen weitgehend vor.

Für den Fall, dass solche Standards nicht herangezogen werden können, soll der zweite Satz des § 1320 Abs. 2 ABGB einige Kriterien enthalten, die im Rahmen der Alm- und Weidehaltung haftungsrechtlich bedeutsam sind und sich aus der bisherigen Rechtsprechung ergeben haben. In den Erläuterungen zur Novelle wird ausgeführt, dass dies zum Ersten die Gefährlichkeit der Tiere betrifft: Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass Weidetiere ungefährlich und harmlos sind. Daher ist es grundsätzlich nicht erforderlich, Alm- und Weideflächen einzuzäunen, allerdings können die Dinge im Einzelfall aber wieder anders liegen (zum Beispiel auf einer Stieralm oder Pferdeweide, vgl. dazu  2 Ob 70/16g EvBl-LS 2016/144).

Hundehalter haben Verantwortung

Zweitens kommt es im gegebenen Zusammenhang auf die Zumutbarkeit der Maßnahmen zur Abwehr von möglichen Tiergefahren an. Drittens spielt die erwartbare Eigenverantwortung anderer Personen, vor allem Wanderer, Touristen und Spaziergänger eine Rolle. So muss sich jeder Hundebesitzer bewusst sein, dass das Mitführen eines Hundes auf einer Almweide ein erhöhtes Risiko mit sich bringt und vom Hundehalter ein entsprechend verantwortungsbewusstes Verhalten vorausgesetzt werden kann. Geplantes Inkrafttreten der Bestimmung ist der 1. Juni 2019.

Regelwerk für Wanderer auf Almen

Zeitlich und inhaltlich passend zum Gesetzesentwurf hat Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger  mit verschiedenen Interessenvertretungen diese Woche zehn Verhaltensregeln ausgearbeitet und vorgelegt, wie sich Wanderer auf Almen verhalten sollen. Ein wesentlicher Bestandteil sind dabei auch Verhaltensregeln für Hundebesitzer.

Fazit: Weder können mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen und Verhaltensregeln in Zukunft Unfälle gänzlich ausgeschlossen werden, noch ist eine hundertprozentige Rechtssicherheit für Landwirte und Wanderer erzielbar. Jeder Einzelfall ist sowohl straf- als auch zivilrechtlich auf der Basis des individuellen Sachverhaltes zu beurteilen. Dennoch sind die getroffenen Maßnahmen ein geeigneter und wichtiger Schritt, um das Mit- und Nebeneinander von Almwirtschaft und Wandertourismus spürbar zu verbessern – vor allem dadurch, dass der Prävention ein besonderer Stellenwert zugemessen wird.

© Copyright - Kommunalnet