CEMR Bilbao 2018

Europa

09.09.2019

„Kein Frieden ohne Vielfalt“

Über 500 Teilnehmer aus Europas regionalen und lokalen Einheiten - darunter auch Nobelpreisträgerin Rigoberta Menchú und der frühere Weltbürgermeister Bart Somers - sprachen bei einer Konferenz in Bilbao über ihre Gedanken zu Gleichstellung, Vielfalt und Inklusion - und brachten ihre besten Projekte mit.

Wie schafft man eine gleichberechtigte Gesellschaft? Wie können neue Gruppen in das soziale Gefüge integriert werden und ist eine Gesellschaft der Vielfalt überhaupt erstrebenswert? Alle diese Fragen wurden bei der ersten europäischen Konferenz des Rats der Gemeinden und Regionen Europas zu den Themen Gleichheit, Vielfalt und Inklusion von 11. bis 13. Juni 2018 in der Europäischen Hauptstadt des Jahres 2018, in Bilbao, diskutiert. Nobelpreisträgerin Rigoberta Menchú hatte darauf eine einfache Antwort: „Wir missachten den anderen, weil er nicht gleich ist. Dabei ist niemand wie der andere. Man kann sich selbst nur respektieren, wenn man den anderen respektiert.“ Menchú äußerte auch ihre Bedenken: Statt, dass die Menschheit diese Grundbedingung endlich akzeptiert, wird sie immer intoleranter.

Inklusion betrifft viele Ebenen: Die Gleichstellung Frauen und Männern, von Homosexuellen, die Integration von Zugewanderten, die Inklusion von Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Einig war man sich, dass die kommunale und regionale Ebene die wichtigsten sind, um etwas zu bewirken.

Neue Ansätze bei Geschlechtergerechtigkeit

Nicht zuletzt die sechs Millionen protestierenden Spanierinnen zeigten am Weltfrauentag, dass auch die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen immer noch nicht selbstverständlich ist und weiter auf diesen Umstand aufmerksam gemacht werden muss. Auch in Österreich sind bekanntlich Frauen in vielen Ebenen immer noch unterrepräsentiert. Deutlich wird dies auch auf kommunaler Ebene. Bei 2.098 Gemeinden gibt es nur 160 Bürgermeisterinnen (7,6%). Es gibt viele Papiere und Bekenntnisse, die zu mehr Gleichstellung führen sollen, aber am Ende muss man einen Weg finden, die Absichten auch in die Tat umzusetzen.

Ein wesentlicher Bestandteil der Veranstaltung waren auch Workshops, in denen direkt gute Projekte ausgetauscht werden konnten.

Während in Österreich Gleichstellungspolitik bisher sehr auf das Empowerment von Frauen fokussiert war, zeigen Projekte aus Schweden und dem Baskenland aber, dass es vielmehr darum gehen muss, auch den Männern neue Ideen von Männlichkeit zu vermitteln. „Frauen haben sich stark durch die bisherigen Programme entwickelt. Sie haben neue Räume erobert. Für Männer gab es diese Möglichkeit der Weiterentwicklung bisher nicht“, erzählt Love Nordenmark, die schwedische Projektleiterin. Während diese Kurse für Männer in Schweden auf dem Gesundheitssystem aufbauen (Themen sind „Männlichkeit und Geschlechtergerechtigkeit“, „Männlichkeit und mentale Gesundheit“, „Männer und die gleichberechtigte Schule“, „Veränderung für gewalttätige Männer“ und „Männlichkeit und gleichberechtigte Elternschaft“), versucht man im Baskenland über Unternehmen und Organisationen Männer für diese Kurse zu begeistern. „Am Anfang war es schwierig, Männer davon zu überzeugen. Heute läuft es meist über Gleichstellungsbeauftragte, die für alle solche Kurse organisieren. Wesentlich für den Erfolg war auch, dass Männer für Männer diese Kurse machen“, erzählt Ander Bergara vom baskischen Institut für Frauen. Mittlerweile haben 10.000 Basken die Charta der Männlichkeit unterschrieben, 6.500 Kurse wurden angeboten.

Speed-Dating für bessere Integration

Aber auch für andere Arten des Umgangs mit unserer gesellschaftlichen Vielfalt gibt es tolle Beispiele. So erzählte der frühere Weltbürgermeister Bart Somers wie er in der belgischen Stadt Mechelen Flüchtlinge integriert. Durch eine Art „Speed-Dating“ werden Einheimische mit Neuangekommenen zusammengebracht und eine sechsmonatige Betreuungsphase eingeleitet. Diese treffen sich einmal in der Woche, um aufkommende Probleme zu besprechen. „Dabei entstehen langfristige Freundschaften und Vorurteile können abgebaut werden“, berichtet Somers. Am Ende der sechs Monate gibt es ein Diplom. „Diese Art der Integration verdoppelt die Chance, dass die Zugewanderten sich hier einleben und nicht in die Kriminalität abdriften.“

Diverstität gestalten

Eine andere Herausforderung sind jene Menschen, die bereits in zweiter oder dritter Generation in Mechelen leben. Hier hat Somers alles unternommen, um die Leute zusammenzubringen. Außerdem hat er alle Anstrengungen in eine gute Infrastruktur gesteckt, damit kein Bezirk als sogenannter Armenbezirk gilt. „Es geht um einfache Dinge wie saubere Straßen. In sogenannten Armenbezirken entstehen Ghettos und das soll nicht passieren.“ Für ihn ist Diversität ausschlaggebend für Frieden. „Immer wenn wir eine zu einheitliche Gesellschaft hatten, war das keine friedliche. Es gibt keinen Frieden ohne Diversität und keine Diversität ohne Frieden. Das müssen wir endlich verstehen und unsere Anstrengungen eher darin stecken, die Diverstität zu gestalten.“

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