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24.03.2020

Lieferdienste: Wie die Gemeinden jetzt anpacken

Nicht aus dem Haus gehen und Abstand zu anderen halten ist leichter gesagt als getan, denn besonders ältere Personen oder Personen mit gesundheitlichen Problemen sind häufig auf Medikamente angewiesen. Weil sie oft alleine wohnen und nicht sehr mobil sind, können ältere Menschen auch nicht viele Lebensmittel auf einmal einkaufen. Damit diese Menschen, die in die Coronavirus-Risikogruppe fallen, nicht gezwungen sind, ihre Gesundheit zu riskieren, ist in den letzten Tagen eine regelrechte Solidaritätswelle über Österreich gefegt.

Nachbarschaftshilfe in Baumgarten: Gemeinde hilft mit

Die knapp 900-Seelen-Gemeinde Baumgarten im Burgenland etwa informierte bereits am vergangenen Freitag mittels Postwurf an jeden Haushalt über einen neuen Einkaufs- und Bringdienst für gefährdete Personen. „Mir war es einfach wichtig, den Menschen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind“, erzählt Bürgermeister Kurt Fischer. Der Andrang halte sich zwar in Grenzen, so Fischer, aber man könne ein interessantes Phänomen beobachten: „Aus Eigeninitiative, aber auch durch unseren Anstoß hat sich eine richtige Nachbarschaftshilfe in der Dorfbevölkerung entwickelt, wo die Familien einander helfen.“

In Zeiten einer Pandemie müssen alle zusammenhelfen. Und das mit möglichst wenig Kontakt zu anderen Personen. Wie das vorbildhaft funktioniert, zeigen zahlreiche Gemeinden, die innerhalb von Stunden auf die Maßnahmen der Regierung reagiert und Hilfsdienste für die Bevölkerung ins Leben gerufen haben. © Gerd Altmann/pixelio.de

Das bedeutet natürlich nicht, dass im Gemeindeamt nichts zu tun bleibt. Den „gelben Sack“ etwa stellen die Gemeindebediensteten nun direkt nach Hause zu, um den Bürgerinnen und Bürgern unnötige Behördengänge zu ersparen. Der Bürgermeister selbst ist allein gestern sechsmal ausgerückt, um notwendige Besorgungen für Betroffene zu erledigen. Die Rechnungen übernimmt vorerst die Gemeinde, damit jeglicher persönlicher Kontakt vermieden werden kann. In einem kleinen Dorf, wo jeder jeden kennt, sei das kein Problem, so Fischer. „Und wenn’s nur einer ist, dem wir helfen können, dann machen wir das gerne.“

Edt bei Lambach kontaktiert Betroffene selbst

Auch im zirka 300 Kilometer entfernten Edt bei Lambach im oberösterreichischen Hausruckviertel hat die Gemeinde schnell gehandelt. „Nachdem der Bundeskanzler am Sonntag die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus verschärft hat, war klar, dass wir handeln müssen“, erzählt der Edter Ortschef Maximilian Riedlbauer. Also habe man noch am selben Tag über die sozialen Medien einen Aufruf für Freiwillige gestartet. Innerhalb kürzester Zeit hatten sich über ein Dutzend Personen gemeldet, die bereits am Montag mit den ersten Lieferdiensten begannen. Die betroffenen Bürger, die der Risikogruppe angehören, werden von der Gemeinde proaktiv per Anruf und Postwurf kontaktiert.

Dabei stellte sich heraus, dass noch einiges an Aufklärungsbedarf herrschte: „Ich habe gestern den ganzen Tag telefoniert“, so Riedlbauer, „um den Menschen die Situation klar zu machen.“ Obwohl manche noch skeptisch reagierten, haben viele das Angebot bereits in Anspruch genommen. Das Ganze funktioniert „sehr unbürokratisch“, wie der Bürgermeister voller Lob an alle Beteiligten betont: Betroffene Bürger und Bürgerinnen rufen direkt beim Gemeindeamt an, wo die Bestellung erfasst und an den Nahversorger weitergeleitet wird. Von dort wird das Sackerl mit den Einkäufen von freiwilligen Helfern abgeholt und den Personen direkt vor die Tür geliefert. Auch in Edt will die Gemeinde die Kosten erst später verrechnen: „Die Bezahlung ist hier nebensächlich, hauptsache die Leute haben alles, was sie brauchen.“

Breite Kooperation mit Unternehmen in Radenthein

Quer durch Österreich reagieren Kommunen mit Hilfestellungen für Risikogruppen: Michael Maier, Bürgermeister der Stadtgemeinde Radenthein in Kärnten, hat zum Schutz von gefährdeten Personen ein ausgeklügeltes System ins Leben gerufen. „Innerhalb von Stunden haben wir mit vier teilnehmenden Partnern – einem Nahversorger, einem privaten Kaufhaus, der Apotheke und einer bäuerlichen Genossenschaft für regionale Produkte – einen Lieferservice organisiert. Die Leute können zu bestimmten Zeiten direkt bei den Geschäften anrufen und dort je nach Angebot bestellen“, erklärt Maier.

So wie viele seiner Amtskollegen hat auch der Bürgermeister der fast 5.800-Einwohner Gemeinde Radenthein, Michael Maier, die Notlage erkannt. Mit einem Lieferdienst besonders für ältere und gefährdete Personen soll die Ausbreitung des Coronavirus eingedämmt werden. (BR: Gert Perauer)

Geliefert wird ganz professionell durch das örtliche Busunternehmen, das die Betriebskosten übernimmt und regelmäßig desinfizierte Kleinbusse zur Verfügung stellt. Die Entlohnung der Busfahrer trägt größtenteils die Gemeinde, sodass für die Zustellung nur mehr eine Selbstkostenpauschale von vier Euro bezahlt werden muss. Alle Bürgerinnen und Bürger über 50 Jahre wurden über den neuen Lieferdienst postalisch informiert, in Anspruch nehmen kann ihn aber jeder. „Die ersten Auslieferungen sind schon gestern erfolgt und wir haben bereits viele positive Rückmeldungen erhalten“, freut sich der Bürgermeister. Die Aktion soll ein klares Signal in Richtung „möglichst wenig sozialer Kontakte“ sein, um die Kurve der Neuinfektionen flach zu halten.

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