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Recht

27.03.2020

Die Corona-Krise und das Vergabeverfahren

Die aktuelle COVID-19-Situation schränkt nicht nur den persönlichen Lebensbereich von uns allen ein, sondern hat auch Auswirkungen auf laufende Vergabeverfahren.

Die aktuelle Corona-Pandemie stellt Menschen und Wirtschaft vor bisher unbekannte Herausforderungen und betrifft alle Lebensbereiche und damit auch laufende Vergabeverfahren. Die meisten Österreicher haben mit weitreichenden privaten wie auch beruflichen Einschränkungen zu leben, Mitarbeiter sind im Homeoffice und es gilt ein weitgehendes Kontaktverbot. Dies hat natürlich auch weitreichende Auswirkungen auf bestimmte Teile des Vergabeverfahrens, auf andere wiederum nicht.

Vorweg ist zu sagen, dass die COVID-19-Situation ein Vergabeverfahren verzögern oder die Fortsetzung überhaupt ungewiss machen kann, was nach dem Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG) einen entsprechenden sachlichen Widerrufsgrund bedeuten kann, aber nicht muss. In vielen Fällen wird es (potentiellen) Bietern wohl aktuell nicht möglich sein, innerhalb der Fristen, die oftmals vor Ausbruch der Krise gesetzt wurden, zu agieren. In anderen Fällen können Auflagen oder Bestimmungen, die vor der Krise in den Ausschreibungen getroffen wurden, die Verfahren unter den Voraussetzungen des COVID-19-Maßnahmengesetz deutlich erschweren.

Kommunikation in Krisenzeiten

Gemäß §48 BundesvergabeG muss beziehungsweise kann der öffentliche Auftraggeber die elektronische Kommunikation wählen, was in Anbetracht unabsehbarer Entwicklungen in nächster Zeit wohl dringend zu empfehlen ist. Die Digitalisierung ermöglicht es, Gespräche und auch Vorstellungen über digitale Tools wie etwa Videokonferenzen durchzuführen. Darüber hinaus ist zu überlegen, ob es in Anbetracht der gewählten Zuschlagskriterien und der verfügbaren Tools sinnvoll ist, die Form der Kommunikation zu ändern oder die Fristen zu verlängern bis es zu einem Ablauf der Einschränkungen kommt. Wichtig ist, in den Teilnahme- bzw. Ausschreibungsunterlagen Regeln festzulegen, was passiert, wenn die Videokonferenz nicht wie geplant funktioniert oder z. B. während der Präsentation zusammenbricht. So kann für diesen Fall eine „gewöhnliche“ Telefonkonferenz als Fallback-Variante vorgesehen werden.

Unterbrechung der Angebotsfristen

Einige öffentliche Auftraggeber haben unter diesen Umständen bereits die Angebotsfristen erstreckt. Eine Unterbrechung oder ein „Ruhen“ des Vergabeverfahrens ist im Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG) nicht vorgesehen. Der Auftraggeber kann aber die Teilnahme- und Angebotsfristen beliebig verlängern, das BVergG enthält nur Mindest-, aber keine Höchstfristen. Die Änderung der Vergabeunterlagen muss oftmals eine Verlängerung der Angebotsfristen nach sich ziehen, was bei geänderten Modalitäten der Fall sein kann.

Kam es bereits zu den Angebotslegungen und entscheidet der Auftraggeber nicht, kann ein Unternehmer nach erheblicher Überschreitung der Zuschlagsfrist, wenn das Verfahren nicht in „angemessener Weise“ fortgeführt wird, die einen Feststellungsantrag an das Verwaltungsgericht richten, welches dann ein Vergabeverfahren für beendet erklären kann. Alternativ kann der Auftraggeber die Bieter um freiwillige Verlängerung der Angebotsbindungsfrist ersuchen, um weiter vergeben zu können.

Das Fristen-Moratorium des 2. Covid-19-Gesetz

In dem 2. COVID-19-Gesetz sind zahlreiche Fristen-Moratorien enthalten. Einige wenigen davon betreffen die Vergabeverfahren, wenn auch nicht im Kernbereich. So finden sich in Artikel 16 §§2 und 6 Abatz 1 für die Vergabeverfahren einschlägige Bestimmungen. Die Zeit ab jetzt bis inklusive 30. April 2020 wird bei verfahrenseinleitenden Anträgen nicht eingerechnet, das heißt in die Anfechtungsfrist nicht eingerechnet. Für laufende Vergabeverfahren kann das etwa bedeuten, dass der Zustellungsbescheid, der in der nächsten Zeit zugestellt wird, bis 11.Mai 2020 mit einem Nichtigerklärungsantrag angefochten werden kann, sofern nach Ende der zehntägigen Stillhaltefrist keine Zuschlagserteilung erfolgt ist.

Das 2. COVID-Gesetz umfasst ausschließlich behördliche und gerichtliche Fristen. Andere Fristen, wie etwa die Stillhaltefrist, sind damit wohl von dieser Regelung nicht betroffen. Es ist damit von Gesetzeswegen mit diesen Maßnahmen kein Vergabestopp verbunden, Auftraggeber dürfen auch weiterhin nach Ablauf der Stillhaltefrist den Zuschlag erteilen. Inwiefern diese Zuschlagserteilung dann angefochten werden kann, ist noch nicht wirklich klar, denkbar sind etwa ein Feststellungsantrag auf Grund der erstreckten Anfechtungsfrist. Die Zuschlagserteilung selbst könnte damit aber wohl nicht angefochten werden. Demnach ist es möglich, den Zuschlag in einem laufenden Verfahren regulär trotz des Fristenmoratoriums zu erteilen, das Risiko eines Feststellungsantrags besteht aber dennoch.

Vergabeverfahren in dringenden Fällen

Ein ganz anderes Problem stellen Beschaffungen dar, die auf Grund der Krise unter besonderem Zeitdruck zu erfolgen haben. Unter bestimmten Voraussetzungen können Sonderverfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt werden. Besonders wichtig ist es in diesen Fällen vorab sicherzustellen, dass sämtliche der folgenden 5 Voraussetzungen kumulativ vorliegen:

  1. Vorliegen dringlicher, zwingender Gründe
  2. Die Dringlichkeit ist nicht dem Verhalten des Auftraggebers zuzuschreiben
  3. Die Ereignisse konnten nicht vom Auftraggeber vorausgesehen werden
  4. Die Einhaltung der regulären Fristen des Vergabeverfahrens ist in diesem Fall unmöglich
  5. Die unvorhersehbaren Ereignisse stehen in direktem Zusammenhang mit den dringlichen zwingenden Gründen.

Das heißt Beschaffungen von Gütern, die jetzt sofort auf Grund der Corona Krise benötigt werden (wie etwa Desinfektionsmittel), könnten in Form eines Sonderverfahrens durchgeführt werden. Besonders wichtig ist in diesen Fällen die Dokumentation der Überlegungen und die schriftliche Begründung, warum diese 5 Punkte erfüllt sind und die Darstellung, warum die im Vergabeverfahren genannten Mindestfristen nicht eingehalten werden können (inklusive Kenntnis und Nennung der Fristen!)

Auch bei diesen Sonderverfahren sind die Grundsätze des Vergabeverfahrens einzuhalten, es ist auf möglichste Transparenz zu achten und es sind alle Schritte zu dokumentieren. Neben Transparenz ist Kooperation das Gebot der Stunde. Viele spätere Unannehmlichkeiten können jetzt durch das Suchen gemeinsamer Lösungsansätze und Gespräche (natürlich per Videokonferenz) vermieden werden.

– T. PÖCHACKER

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