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Wien

30.10.2020

Große Bühne für die Bodenpolitik

Ein sorgloser Umgang mit der Ressource Boden hat in den vergangenen Jahrzehnten Gestalt und Funktion unserer Städte und Dörfer massiv verändert. Angesichts der drohenden Klimakatastrophe und steigender Wohnungspreise stellt sich die Frage, ob der bisherige Weg mit maximalen Kompromissen und minimalen Anpassungen noch tragbar ist. Dem stellt sich die Ausstellung im Architekturzentrum Wien „Boden für Alle“ von 19. November 2020 bis 3. Mai 2021.

Ein großes Problem sehen die Kuratorinnen der Ausstellung darin, dass vielerorts Wohnungen entstehen, deren Funktion nicht die eines „Zuhauses“ ist, sondern einer Kapitalanlage, die auch ungenutzt ihren Wert steigert.

„Wir alle wünschen uns gutes Essen, schöne Dörfer, naturbelassene Umwelt, eine florierende Wirtschaft und belebte Städte. Wir wollen günstig und großzügig wohnen, mobil und unabhängig sein. Die meisten dieser Begehrlichkeiten sind nachvollziehbar und doch bergen diese Wünsche ungeheure Interessenskonflikte.“ – die Kuratorinnen Karoline Mayer und Katharina Ritter

Mit der Ausstellung „Boden für Alle“ will das Architekturzentrum Wien die vielen Kräfte sichtbar machen, die an unserem Boden zerren. Die Ausstellung zeigt auf, dass wir ein System geschaffen haben, das Flächenverbrauch zwingend voraussetzt.

Anschaulich und konkret

Wie wird Grünland zu Bauland? Wieso steigt der Preis für Grund und Boden? Was hat das alles mit unseren Lebensträumen zu tun? Fallstudien und Begriffserklärungen bringen Licht in das Dickicht der Zuständigkeiten. Ländervergleiche veranschaulichen Stärken und Schwächen, internationale Best-Practice-Beispiele zeigen Alternativen. Eine Sammlung an bereits bestehenden und möglichen neuen Instrumenten weist Wege zu einer Raumplanung, die die Ressource Boden schont, den Klimawandel abfedert, der Wohnungsfrage hilft und eine gute Architektur ermöglicht. Wir alle sind aufgefordert, neu zu denken und zu handeln. Die Ausstellung bereitet den Boden dafür.

Andere Länder, andere Sitten

Bei einem Blick über die Grenzen zu europäischen Nachbarn wird in sechs Vergleichen untersucht, wie andere Länder mit ähnlichen Problemen umgehen. Auch wenn direkte Vergleiche aufgrund der unterschiedlichen kulturellen Prägung oder der Rechtssysteme oft schwierig sind, so liefern sie doch wertvolle Denkanstöße für mögliche Optimierungen innerhalb des eigenen Systems. Die Themen der Vergleiche reichen vom Schutz des Eigentums in der Verfassung über die Abschöpfung von Widmungsgewinnen Einzelner für die Allgemeinheit bis hin zum Schutz von landwirtschaftlichem Boden vor Verbauung zum Erhalt der Ernährungssicherheit.

Gutes auf den Boden bringen

Doch es soll nicht nur kritisiert und gemahnt werden. 16 positive Beispiele und Projekte aus der ganzen Welt propagieren einen anderen Umgang mit Grund und Boden. Beispiele für die Belebung von Ortskernen durch Eigeninitiative oder für Verdichtung im existierenden flächenintensiven Siedlungsbereich. Beispiele für den Erhalt von Bodenqualität in der Landwirtschaft sowie den Schutz von Grünflächen vor Versiegelung. Es geht aber auch um die konsequente Entsiegelung und Renaturierung nicht mehr genutzter – oder verzichtbarer – Infrastruktur, sei es eine Stadtautobahn oder eine ehemalige Kalksteingrube. Die Gesamtheit der Projekte soll Inspiration für unsere weitere Entwicklung, für unsere tägliche Arbeit und für unsere persönlichen Lebensentscheidungen sein.

-E.AYAZ

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