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Recht

05.11.2020

Gemeinderatssitzungen in der neuen Corona-Verordnung

Diese Woche trat eine neue Corona-Verordnung in Kraft mit strengeren Regeln zu Veranstaltungen und Treffen. Zur Zulässigkeit der Abhaltung von Gemeinderatssitzungen, vor allem in Bezug zur „Öffentlichkeit“ der Gemeinderatssitzungen, gibt es unterschiedliche Zugänge. Zur Orientierung gibt es hier die Rechtsansicht des Österreichischen Gemeindebundes in Zusammenfassung:

Ergebnis

Aus Sicht des Generalsekretariats des Österreichischen Gemeindebundes ist die Abhaltung von Gemeinderatssitzungen nach 20 Uhr zulässig und die Teilnahme an öffentlichen Sitzungen als Zuhörer nicht ausgeschlossen. Es empfiehlt sich aber, Gemeinderatssitzungen derart abzuhalten, dass ein Ende vor 20 Uhr gewährleistet ist und/oder nicht-öffentliche Tagesordnungspunkte zum Schluss angesetzt werden.

Rechtliche Grundlagen

  • Gemäß Art 117 Abs. 4 B-VG sind die Sitzungen des Gemeinderates öffentlich, es können jedoch Ausnahmen vorgesehen werden. Wenn der Gemeindevoranschlag oder der Gemeinderechnungsabschluss behandelt wird, darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden.
  • Gemäß § 1 Abs. 2 COVID-19-SchutzmaßnahmenVO gilt ein Ein-Meter-Abstand und eine Mund-Nasen-Schutzpflicht an öffentlichen Orten in geschlossenen Räumen.
  • Gemäß § 3 Abs. 1 COVID-19-SchutzmaßnahmenVO gilt von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr des folgenden Tages ein Verbot des Verlassens des eigenen privaten Wohnbereichs – ausgenommen unter anderem zum Zweck der „Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens“.
  • Gemäß § 13 Abs. 1 COVID-19-SchutzmaßnahmenVO sind Veranstaltungen untersagt.
  • Gemäß § 15 Abs. 1 Z 3 COVID-19-SchutzmaßnahmenVO gilt die Verordnung nicht für Tätigkeiten im Wirkungsbereich der Organe der Vollziehung mit Ausnahme des Parteienverkehrs in Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten, sofern keine anderslautenden Regelungen im Bereich der Hausordnung bestehen.

Sichere Gemeinderatssitzung

Bei der Gemeinderatssitzung bzw. der Zusammenkunft der Gemeinderäte zur Abhaltung einer Gemeinderatssitzung handelt es sich um ein „Tätigwerden im Wirkungsbereich der Organe der Vollziehung“ im Sinne der § 15 Abs. 1 Z 3 COVID-19-Schutzmaßnahmen-Verordnung.

Also gilt diese Verordnung nicht für eine Zusammenkunft der Gemeinderäte zur Abhaltung einer Gemeinderatssitzung. Die Gemeinderatssitzung ist daher auch keine Veranstaltung im Sinne dieser Verordnung, die in § 13 Abs. 1 grundsätzlich Veranstaltungen untersagt. Es gelten daher nach Meinung des Gemeindebundes für die Gemeinderäte weder die Regelungen der Veranstaltung dieser Verordnung, noch jene des Ein-Meter-Abstands oder des Mund-Nasen-Schutzes. Festzuhalten ist, dass es sinnvoll ist und wäre, im Vorfeld der Sitzung oder im Wege der Hausordnung auf die Notwendigkeit eines Mindestabstands und eines Mund-Nasen-Schutzes hinzuweisen bzw. derartige Schutzmaßnahmen festzulegen.

Zur Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung

Hinsichtlich der Öffentlichkeit bzw. hinsichtlich der Zuhörer einer Gemeinderatssitzung gilt in Ermangelung einer in Betracht kommenden Ausnahmeregelung in der COVID-19-SchutzmaßnahmenVO , dass eine Zusammenkunft von Zuhörern einer Gemeinderatssitzung als Veranstaltung im Sinne dieser Verordnung zu werten ist. Gemäß Art. 117 Abs. 4 B-VG „sind die Sitzungen des Gemeinderates öffentlich, es können jedoch Ausnahmen vorgesehen werden. Wenn der Gemeindevoranschlag oder der Gemeinderechnungsabschluss behandelt wird, darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden.“

Nachdem die COVID-19-SchutzmaßnahmenVO verfassungskonform in einer Weise auszulegen ist, dass der im Bundes-Verfassungsgesetz verankerte Grundsatz der Öffentlichkeit einer Gemeinderatssitzung, für deren Ausnahmen ausschließlich die Länder verfassungsrechtlich zuständig sind, nicht verletzt wird, müssen Zusammenkünfte von Zuhörern bei Gemeinderatssitzungen (im Sinne der Öffentlichkeit) zulässig sein.

Dabei gelten aber nach Ansicht des Gemeindebundes sehrwohl die Regelungen des Mindestabstands und des Mund-Nasen-Schutzes für Zuhörer – da durch diese Vorgaben der Verordnung die „Öffentlichkeit“ nicht ausgeschlossen wird. Für den Fall, dass zu viele Bürger der Sitzung beiwohnen wollen und die räumliche Kapazität aufgrund der Mindestabstände nicht ausreicht, müsste einem Teil der Bürger die Teilnahme verwehrt werden – wie dies auch sonst zu passieren hat, wenn die räumlichen Kapazitäten nicht ausreichen.

Wie kommt der Bürger nach 20 Uhr zur Sitzung?

Die Teilnahme ist also erlaubt, aber es stellt sich die Frage, wie Zuhörer bei den geltenden Ausgangsbeschränkungen rechtskonform nach 20 Uhr zum Gemeindeamt kommen (sollte eine Sitzung sehr spät angesetzt sein), bzw. noch viel mehr die Frage, wie der Bürger nach einer Gemeinderatssitzung, die nicht selten erst nach 20 Uhr endet, rechtskonform wieder nach Hause kommt.

Auch hier ist der Gemeindebund der Auffassung, dass die Verordnung verfassungskonform in der Weise auszulegen ist, dass der Bürger (der das Recht hat, an Sitzungen des Gemeinderates, deren Öffentlichkeit durch die Verordnung nicht ausgeschlossen werden darf) zum Zweck der Gemeinderatssitzung nach 20 Uhr den eigenen privaten Wohnbereich verlassen bzw. außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs verweilen darf.

Außerdem kann man rechtlich durchaus argumentieren, dass der Weg von der Gemeinderatssitzung nach Hause zum Zweck der Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erfolgt (wenn schon das Aufsuchen des Zweitwohnsitzes zum Zweck der Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens nach 20.00 Uhr zulässig ist – dann umso mehr der Weg nach Hause).

Auch könnte man hinsichtlich des Weges zur Teilnahme des Zuhörers an der Gemeinderatssitzung in gleicher Weise argumentieren, dass das zum Zweck der Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erfolgt – schließlich erlangt der Bürger Information, Klarheit und Partizipation hinsichtlich Diskussionen und Entscheidungen im Gemeinderat, die sein unmittelbares Lebensumfeld betreffen. Wenn daher, wie es den FAQs zur neuen Verordnung zu entnehmen ist, auch nichtakute Arztbesuche, Friedhofsbesuche und das Aufsuchen des Zweitwohnsitzes unter die Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens fallen, dann erst Recht die Teilnahme an einer Gemeinderatssitzung als interessierter Bürger.

Abschließend ist dennoch zu empfehlen, Gemeinderatssitzungen derart abzuhalten, dass ein Ende vor 20 Uhr gewährleistet ist und gegebenenfalls nicht-öffentliche Tagesordnungspunkte zum Schluss angesetzt werden.

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