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Finanzen

11.05.2021

Kommunale Finanzthemen nach 14 Monaten Corona-Krise

Vor knapp 14 Monaten erfolgte der erste Lockdown. Im Jahr 2020 brachen die Ertragsanteile um fast neun Prozent ein und Ähnliches werden wohl auch die in einigen Wochen vorliegenden Haushaltsdaten der Gemeinden bei den kommunalen Steuereinnahmen zeigen.

Zu den Mindereinnahmen aus den eigenen Wirtschaftsbetrieben kamen eine Reihe von Mehrausgaben – von der unmittelbaren Pandemiebekämpfung und den steigenden Umlagen bis hin zu Überstunden oder auch Kostensteigerungen bei aktuellen (Bau-)Projekten.

Wie groß die finanziellen Folgen der Krise für die Gemeinden, aber auch den Bund und die Länder waren, verdeutlichen die kürzlich von Statistik Austria veröffentlichten Zahlen zu den Maastricht-Indikatoren Defizit und Schuldenstand ebenso wie der drastische Einbruch des realen Bruttoinlandsprodukts 2020 von rund 6,6 Prozent.

Maastricht-Indikatoren 2018 – 2020

Defizit bzw. Überschuss (in Mio. Euro)

  • Jahr
  • 2018
  • 2019
  • 2020
  • Bund (inkl. SV)
  • -27
  • 1.975
  • -29.567
  • Länder
  • 556
  • 621
  • -1.951
  • Wien
  • 131
  • 109
  • -899
  • Gemeinden
  • -5
  • -281
  • -826
  • Gesamtstaat
  • 656
  • 2.424
  • -33.244

Schuldenstand (in Mio. Euro)

  • Jahr
  • 2018
  • 2019
  • 2020
  • Bund (inkl. SV)
  • -247.505
  • -242.928
  • -274.815
  • Länder
  • -21.664
  • -21.002
  • -22.421
  • Wien
  • -7.493
  • -7.435
  • -8.516
  • Gemeinden
  • -8.655
  • -8.975
  • -9.407
  • Gesamtstaat
  • -285.318
  • -280.340
  • -315.160

Datenquelle: Statistik Austria

Starker Anstieg von Defizit und Schuldenstand 2020

1,5 bis 2 Milliarden Euro an Konsolidierungsbedarf (Mindereinnahmen und Mehrausgaben) verursachte die Pandemie im Jahr 2020 auf kommunaler Ebene – dieser musste durch Rücklagen, Verschiebung von Investitions- und Instandhaltungsmaßnahmen, vor allem aber durch die Ausweitung von Kassenkrediten und zusätzliche Darlehensaufnahmen gedeckt werden.

Gegenüber dem Vor-Krisenjahr 2019 stieg das Maastricht-Defizit der Gemeinden ohne Wien 2020 von 281 auf 826 Millionen Euro. Noch deutlich schlechter entwickelten sich die Maastricht-Ergebnisse des Bundes, der Länder und der Bundeshauptstadt, die 2019 im Gegensatz zu den Gemeinden ohne Wien noch Überschüsse erwirtschafteten. Gesamtstaatlich betrug das Defizit 2020 somit über 33 Milliarden Euro oder fast 8,9 Prozent des BIP, was rund dreimal so hoch ist wie das in „Normaljahren“ erlaubte Maastricht-Defizit.

Sanktionsrelevanz nach dem Stabilitätspakt oder dem EU-Fiskalregelwert ist dennoch keine gegeben, da diese Stabilitätskriterien jedenfalls 2020 und 2021 ausgesetzt sind. Selbiges gilt auch für die Entwicklung des Schuldenstandes (der grundsätzlich nicht über 60 Prozent des BIP liegen soll), der österreichweit 2020 aber um rund 35 Milliarden Euro auf fast 84 Prozent des BIP hochgeschnellt ist. Ähnlich dem Defizit kamen die Gemeinden ohne Wien mit 432 Millionen Euro auch bei der Erhöhung des Schuldenstands noch einigermaßen glimpflich davon.

Aktuelle Entwicklung der Ertragsanteile

Im Krisenjahr 2020 brachen die Ertragsanteile der Gemeinden um fast neun Prozent ein. Durch das Ende Dezember mit dem Bund vereinbarte Gemeindepaket II kommen den Gemeinden im Jahr 2021 nicht nur 100 Millionen zusätzlich an Strukturfondsmitteln zugute, sondern auch 1,4 Milliarden Euro an zusätzlichen Ertragsanteilen. Eine Milliarde davon dient der Liquiditätsstärkung (Stichwort: überzogene Girokonten) im Jahr 2021 und wird daher zwischen 2023 und 2026 wieder sukzessive seitens des Bundes automatisch (daher kein Buchungsaufwand) von den monatlichen Vorschüssen auf die Ertragsanteile der Gemeinden einbehalten.

Technisch gesehen erfolgt dies als den Gemeinden vom Bund gesetzlich garantiertes Wachstum der Ertragsanteile, das von 2021 bis 2026 österreichweit gesehen +12,5 %, +1,0 %, +1,5 %, +2,0 %, +2,0 % und +2,0 % gegenüber dem jeweiligen Vorjahr betragen wird. Einen wichtigen Beitrag zur Planungssicherheit für die Gemeinden wird auch die Verlängerung des aktuellen Finanzausgleichs bis Ende 2023 leisten – die entsprechende FAG-Novelle wird derzeit ausverhandelt und soll im Juni im Nationalrat beschlossen werden.

Die Ertragsanteile werden im Jahr 2021 nicht weiter fallen, sondern gesetzlich garantiert gegenüber 2020 um bundesweit 12,5 Prozent steigen. Nachdem die dafür nötigen Sondermittel 2021 aus dem Gemeindepaket II des Bundes jedoch nicht monatlich, sondern jeweils zu Quartalsende in die Vorschüsse der Gemeinden einfließen, stellt sich heuer die Entwicklung der monatlichen Vorschüsse im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat höchst unterschiedlich dar (Gemeinden ohne Wien): Jänner -10,9 %; Februar +/-0 %; März +35,4 %; April -18,4 %; Mai +2,8 % und Juni 2021 etwa im Bereich von +15 bis +20 %.

Abrufen der Gemeindemilliarde

Zur Halbzeit des KIG 2020 zum 31. März 2021 waren bereits 58 Prozent bzw. 580 Millionen Euro der Zweckzuschussmittel des Kommunalinvestitionsgesetzes (KIG 2020) ausbezahlt. Knapp 4500 Anträge wurden dafür via www.bhag.gv.at von rund 1500 Gemeinden und einigen Gemeindeverbänden gestellt. Weitere 2000 Anträge sind bereits in der Pipeline.

Auch abseits budgetärer Restriktionen (die übrigen 50 Prozent zum Zweckzuschuss des Bundes sind ja aufzubringen) ist es aktuell aber nicht so einfach, Projekte überhaupt zu starten. Schließlich sind in einigen Wirtschaftssektoren die Auftragsbücher 2021 schon voll, was darüber hinaus auch zu steigenden Preisen führt.

Aus diesem Grund hat der Gemeindebund bereits im Finanzministerium deponiert, dass die Antragsfrist des KIG 2020 über den 31. Dezember 2021 hinaus verlängert werden sollte, da die von den Gemeinden bis dahin nicht beantragten Zweckzuschüsse sonst den Gemeinde-Bedarfszuweisungsmitteln des jeweiligen Landes zugeschlagen werden. Zuvor sollte aber dennoch berücksichtigt werden, dass nicht nur Investitionsmaßnahmen, sondern auch laufende Instandhaltungsmaßnahmen und darüber hinaus auch ab dem 1. Juni 2019 begonnene Altprojekte sowie die Sanierung von Gemeindestraßen förderfähig sind.

Comeback-Plan und ARF

Die aktuelle Ausgangslage für den sogenannten Comeback-Plan der Bundesregierung ist sehr herausfordernd: 436.000 Arbeitslose (inkl. Schulungen), fast eine halbe Million Arbeitnehmer in Kurzarbeit – rasche, aber sichere Lockerungen (ab Mitte Mai) müssen in allen Bereichen gesetzt werden, um den Arbeitsmarkt, den Konsum, die Investitionstätigkeit, aber auch die weiterhin schwachen Abgabeneinnahmen des Staates und nicht zuletzt das gesellschaftliche Leben (wieder) zu beleben.

Tragender Teil dieses Comeback-Plans (neben der jüngst angekündigten Aufstockung der Investitionsprämie oder auch einer CO2-Steuer ab 2022) sollen zahlreiche Förderprogramme mit Fokus auf Ökologisierung und Digitalisierung sein, die aus den rund 3,5 Milliarden Euro an Österreich zustehenden Zuschussmitteln der sogenannten Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) der Europäischen Union finanziert werden sollen.

Einen ersten Aufschluss darüber, welche künftigen Förderprogramme mittelbar oder unmittelbar für die Gemeinden relevant sind, bietet der Ministerratsbeschluss vom 20. April 2021, der auch auf der Website des Bundeskanzleramts abrufbar ist: Darunter sind etwa der Digitalisierungsfonds für die öffentliche Verwaltung (160 Millionen), Maßnahmen für klimafitte Ortskerne (insgesamt 50 Millionen u. a. für thermische Sanierung), Pilotprojekt Community Nursing (54,2 Millionen), emissionsfreie Busse (256 Millionen), Ausbau der medizinischen Primärversorgung (100 Millionen) oder auch des Breitbands. Darüber hinaus wurde seitens der Bundesregierung auch angekündigt, dass 50.000 Einstiegsjobs geschaffen und unterstützt werden sollen – und dies richtet sich nur an die Privatwirtschaft, sondern auch an gemeinnützige und öffentliche Träger.

-K. GSCHWANDTNER

Über den Autor

Konrad Gschwandtner ist Fachreferent der Abteilung Recht und Internationales beim Österreichischen Gemeindebund.

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