Andy Wenzel/BKA

03.12.2021

Kurz, Blümel und Schallenberg ziehen sich zurück

Zwei Monate nach dem Abgang als Bundeskanzler hat Sebastian Kurz Donnerstag auch den Rücktritt als ÖVP-Obmann verkündet – und damit eine große ÖVP-Personalrochade ausgelöst. Alexander Schallenberg ließ am Abend wissen, dass er als Kanzler abtritt, wenige Stunden später gab Finanzminister Gernot Blümel den Abschied aus der Politik bekannt – wohl erste Ergebnisse der intensiven Beratungen der ÖVP-Granden. Klarer Favorit als Kanzler und Obmann ist Innenminister Karl Nehammer.

Fixiert wird die Entscheidung Freitagvormittag im Parteivorstand – wobei freilich die schon seit Kurz‚ Abgang als Kanzler wieder mächtigeren Landesparteichefs schon am Donnerstag die Nachbesetzungen modellierten. Dass künftig Regierungs- und Parteichef wieder in einer Hand liegen, war bald klar. Und damit war für Schallenberg – der in der Partei nicht recht verankert ist – entschieden, dass er nicht mehr lange Kanzler bleibt: „Es ist nicht meine Absicht und war nie mein Ziel, die Funktion des Bundesparteiobmanns der Neuen Volkspartei zu übernehmen. Ich bin der festen Ansicht, dass beide Ämter – Regierungschef und Bundesparteiobmann der stimmenstärksten Partei Österreichs – rasch wieder in einer Hand vereint sein sollten“, teilte er (nach einem kurzen letzten Auftritt als Kanzler im Bundesrat) am frühen Abend schriftlich mit. Er werde das Amt zur Verfügung stellen, „sobald parteiintern die entsprechenden Weichenstellungen vorgenommen sind“.

Für Schallenberg bedeutet das nicht unbedingt, dass er ganz aus der Regierung ausscheidet. Er könnte ins Außenministerium zurückkehren – oder er könnte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler beerben, sollte diese zur Innenministerin aufsteigen.

Wie das neue ÖVP-Team aussehen wird, war umgehend Gegenstand medialer Spekulationen. Und der – weil enger Kurz-Vertrauter, Chatpartner und auch von der WKStA als Beschuldigter geführte – ganz vorne genannte Ablösekandidat gab am Abend bereits den Rückzug bekannt.“Ich habe mich dazu entschieden, die Politik zu verlassen“, teilte Finanzminister Blümel via Social Media-Video mit. In der Funktion als Wiener ÖVP-Chef folgt ihm zumindest interimistisch einmal der Nationalratsabgeordnete Karl Mahrer nach.

Als Grund für seinen Abschied nannte Blümel vor allem seine Familie, die aufgrund seiner politischen Tätigkeit immer wieder mit Morddrohungen konfrontiert gewesen sei. Familiengründe hatte auch Kurz zu Mittag schon vorgebracht: Bei der Geburt seines Sohnes am Samstag sei ihm bewusst geworden, „wie viel schönes und wichtiges es auch außerhalb der Politik gibt“, sagte er in einer Pressekonferenz. Außerdem sei die Flamme der Leidenschaft für die Politik zuletzt kleiner geworden, spielte er auf die Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen Bestechlichkeit, Untreue und falscher Zeugenaussage gegen ihn an: „Mein politischer Alltag war zuletzt nicht der Wettbewerb der besten Ideen, sondern die Abwehr von Vorwürfen, Unterstellungen und Verfahren.“

Seit die Ermittlungen gegen Kurz und sein Umfeld bekannt sind, rasselten die Umfragewerte der ÖVP hinunter. Mittlerweile liegt die SPÖ klar vor der Kanzlerpartei. Mit Blick darauf haben Politikwissenschafter auch erwartet, dass nicht nur Nehammer aufsteigt, sondern das ÖVP-Team breit umgebaut wird. Die ÖVP müsse jetzt, um den Schaden zu begrenzen, den „Weg der Abgrenzung zur Kurz“ finden, stellte der Politikwissenschafter Peter Filzmaier im ORF fest – und erinnerte daran, dass ja auch gegen die ÖVP-Bundespartei als Organisation Korruptionsermittlungen laufen. Zudem wäre es „jedenfalls die politische Logik“, dass sich ein neuer Regierungschef das Team neu zusammenstellt, merkte der Politikberater Thomas Hofer im ORF-Interview an.

Geht es nach dem Vertrauensverhältnis zu Kurz, muss Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger ebenfalls mit der Ablöse rechnen – denn auch sie war im sogenannten „inneren Kreis“. Als seit dem „Kaufhaus Österreich“-Flop ramponiert gilt Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, deren Büro am Vormittag allerdings Ablösegerüchte noch dementierte. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner könnte – als frühere NÖ-Bauernbunddirektorin – ins Landwirtschaftsministerium wechseln, war eine der vielen Spekulationen darüber, wie es in der ÖVP jetzt weitergeht.

Die Opposition zeigte sich zumindest von Kurz‚ Rücktritt wenig überrascht. Für SP-Chefin Pamela Rendi-Wagner war der Abgang „eine Frage der Zeit“: „Offenbar ist der Druck jetzt so groß geworden, dass er die Konsequenz selbst gezogen hat.“ NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos sprach von einem „längst überfälligen Schritt“. Und FP-Chef Herbert Kickl reagierte zufrieden: „Ich habe am Beginn des Jahres gesagt, Kurz muss weg, jetzt ist er weg.“ Dass ihn wirklich die Vaterfreuden zum Abgang bewegt haben, bezweifelte Kickl allerdings und forderte Neuwahlen. Für eine Neuwahl im Frühjahr plädierte auch Burgenlands SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, dem Ambitionen auf die Spitzenkandidatur der SPÖ nachgesagt werden.

Zumindest vorerst sieht es danach allerdings nicht aus. Der Grüne Vizekanzler Werner Kogler zollte Kurz nämlich „ganz ganz großen“ Respekt für seinen Rücktritt und lobte die „hervorragende Arbeitsbasis“ mit Innenminister Karl Nehammer. Die Grünen wollen ihr Regierungsteam dagegen nicht umbauen.

– REDAKTION (Quelle: APA)

 

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