BMI/A. Tuma

Sicherheit

11.01.2022

Was tun, wenn Bürgermeister bedroht werden?

Zunehmende Drohungen gegen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister begleiten die Proteste gegen Corona-Maßnahmen und vor allem gegen die kommende Impfpflicht anhaltend. Dazu hatte der (damals noch) Innenminister Karl Nehammer Anfang Dezember einen runden Tisch mit rund 400 Gemeindechefs. Den teils gefährlichen Drohungen und versuchten Nötigungen gegen Politiker inklusive Aufmärschen vor deren Wohnhäusern „werde man nicht zusehen“, so Nehammer damals. Mit beim Online-Meeting war auch Omar Haijawi-Pirchner, Direktor der neugeschaffenen „Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst“.

„Es gibt ein paar Möglichkeiten, was im Falle einer Bedrohung getan werden kann. Zum einen kann sich jeder österreichische Bürger, jeder Bürgerin, über die kriminalpolizeiliche Beratung informieren lassen, welche Optionen es gibt und wie man sich schützen kann.“ Das betrifft auch Fragen wie „Wo sieht der Bürgermeister sich bedroht?“, „Wie weit weg vom Gemeindeamt wohnt er?“, „Wie ist sein täglicher Weg?“. Diese Beratung bekommt man bei der nächstgelegenen Polizeiinspektion“, so Haijawi-Pirchner, der sich danach noch Zeit für ein persönliches Gespräch mit KOMMUNAL nahm.

Zur Person

Omar Haijawi-Pirchner (41) ist seit 1. Dezember 2021 Direktor der neu geschaffenen „Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst“ (DSN), der Nachfolgerin des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Zuvor war er Leiter des Landeskriminalamts Niederösterreich.

Ist die Querdenker-Szene wirklich die größte Bedrohung für Österreich?

Da muss man vorsichtig sein. Nur weil einer ein Querdenker ist oder Verschwörungstheorien anhängt, ist er per se keine Bedrohung. Anders sieht es aus, wenn sich solche Leute radikalisieren.“ Es sind nicht alle Demonstranten eine Gefahr – auf diese Feststellung legt Haijawi-Pirchner wert. Der Schutz des Demonstrationsrechts ist ihm in diesem Zusammenhang ebenfalls ein Anliegen.

Kritisch wird es, wenn Leute sich so weit radikalisieren, dass sie bereit sind, Straftaten zu begehen oder Gewalt anzuwenden oder die Demokratie einfach nicht mehr akzeptieren. „Da wird’s gefährlich und da müssen wir als Verfassungsschutz auch genau hinsehen.“

Und das tut die DSN, denn „die Gewaltbereitschaft hat in den letzten Wochen (Dezember 2021, Anm. d. Red.) deutlich zugenommen. Allein was Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten betrifft. Manche dieser Versuche zeugen von der Bereitschaft, einen tödlichen Ausgang des Angriffs in Kauf zu nehmen. Und es nimmt jedes Wochenende mehr zu.“ Das richtet sich auch nicht nur gegen Polizisten, sondern auch gegen medizinisches Personal, Impfstraßenbetreiber und auch gegen Medienvertreter.

Wen anrufen, wenn‘s schnell gehen muss?

„Bei einer unmittelbar drohenden Gefahr oder Straftat ist der Notruf 133 zu wählen! Es muss hier auch eine Sensibilität geschaffen werden. Wenn jemand in seinem Umfeld eine verdächtige Wahrnehmung macht, ist es besser, einmal öfter bei der Polizei anzurufen als einmal zu wenig“, mahnt Haijawi-Pirchner dazu, mit offenen Augen unterwegs zu sein.

Generell muss man sagen, dass demokratiefeindliche Angriffe oder Aktionen wie der Sturm auf das Kapitol in den USA nach einer Rede des damaligen Präsidenten, auch in Österreich möglich sind.

Haijawi-Pirchner nennt hierzu die „Broken-Windows-Theorie“. Wenn in einem Haus schon etliche Fensterscheiben eingeschlagen sind, habe ich wenige Hemmungen, noch eine weitere einzuschlagen. Sind die Scheiben alle noch ganz, ist die Hemmschwelle höher. Bezogen auf das Gewaltpotenzial in Österreich heißt das, dass Trittbrettfahrer eine Eskalation mit sich bringen können. „Wenn wie beim Sturm aufs Kapitol einer anfängt, laufen andere hinterher.“

Die zunehmend aufgefundenen Waffenlager sind ein Indikator für das Bedrohungspotenzial. Immer wieder findet die Polizei gehortet Waffen – und das vorwiegend im rechtsextremen Milieu, wie Haijawi-Pirchner ausführt. „Rechtlich ist ganz klar, welche Waffen man in Österreich besitzen darf und wie diese zu lagern sind. Entscheidend für uns ist die Ideologie dahinter.“

Ablenkung vor anderen Bedrohungen?

Die Corona-Maßnahmen-Gegner binden viele Kräfte und sind für den Staatsschutz sehr fordernd. Aber auch der politische Islamismus, der vor der Pandemie eine Hauptgefahr war, wird weiter beobachtet und, so der Direktor, „die Terrorgefahr in Österreich ist weiter als hoch einzustufen.“ Gemeinsam mit den anderen Aufgabenfeldern der DSN bilden diese Bedrohungen eine hohe Belastung, weshalb auch die neue personelle Decke der DSN weiter im Steigen ist. „Wir müssen schauen, dass wir eine gute Durchmischung des Personals haben. Das BVT früher war stark polizeilich geprägt, so arbeiten aber Nachrichtendienste nicht. Daher suchen wir Unterstützung für die Analyse und Bewertung von Lagebildern, das Benennen von Bedrohungen. Die Leute, die das machen können, findet man auch in der Wissenschaft.“

Wichtigste Handlung in der jetzigen Situation: Deeskalation, auch der Worte

„Das letzte, was gebraucht wird, ist eine aufpeitschende Rede. Und jeder – sei es die Polizei, sei es die Politik, seien es die Medien oder die Vertreter der Medizin –muss seinen Beitrag leisten, um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen. Niemand sollte Öl ins Feuer gießen, das ist ganz wichtig!“

– H.BRAUN

Über den Autor

Hans Braun ist Chefredakteur des KOMMUNAL.

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