© Fotostudio Wedermann, Neustift im Stubaital

28.03.2022

Amtsleiterin berichtet über herausfordernden Arbeitsalltag

Jasmin Schwarz, seit 2013 Gemeindeamtsleiterin der Gemeinde Neustift mit einer Personalverantwortung für rund 120 Gemeindebedienstete und FLGT-Bezirksleiterin des Bezirkes Innsbruck-Land, berichtet von ihrem Gemeindealltag und den Herausforderungen, die diese Funktion mit sich bringt. Die Gemeinde Neustift zählt flächenmäßig zur drittgrößten Gemeinde Österreichs.

Nach der Tiroler Gemeindeordnung ist zur Leitung des inneren Dienstes ab einer Größe von 5.000 Einwohnern zwingend ein rechtskundiger Gemeindeamtsleiter zu bestellen. Ihm obliegt die Organisation, Koordination und Leitung der gesamten Gemeindeverwaltung sowie der operativen Gemeindeaufgaben in direkter Abstimmung mit dem Bürgermeister. Der Gemeindeamtsleiter ist Vorgesetzter der Gemeindebediensteten, hat für einen geregelten und einheitlichen Geschäftsgang zu sorgen sowie insbesondere die Gesetzmäßigkeit bei der Besorgung der Amtsgeschäfte zu überwachen.

Fähigkeiten und Eigenschaften eines Gemeindeamtsleiters

Die Aufgabenbereiche werden immer komplexer und vielschichtiger. Wichtig sind daher eine fundierte, bestenfalls juristische Ausbildung sowie ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein und Eigeninitiative. Reformwille und Dienstleistungsorientierung sowie die Bereitschaft und Fähigkeit zur Kommunikation und Kooperation sind nach Jasmin Schwarz‘ Verständnis unabdingbar: „Kurzum: Neben Fachwissen, Engagement und Geradlinigkeit sollte auch das Herz am rechten Fleck sein.“

Aufgaben der Gemeindeverwaltung

Zu ihrer Gemeindeverwaltung zählen nicht nur die Kernverwaltung wie Bürgerservice, allgemeine Verwaltung, Bauamt, Finanz- und Personalverwaltung und Infrastruktur, sondern auch Bau- und Recyclinghof, Haustechnik, Forstaufsicht sowie Kinderkrippe, Kindergarten, Jugendraum und Alten- und Pflegeheim. Jasmin Schwarz sieht sich und ihre Mitarbeiter dabei als ein Gemeindeteam und es ist ihr daher besonders wichtig, das Miteinander und eine gute Kommunikation mit allen Mitarbeitern zu pflegen.

Unterschiede zur Privatwirtschaft

Die Gemeinde begleitet die Bürger wortwörtlich von der Wiege bis zur Bahre mit all ihren unterschiedlichen kommunalen Bedürfnissen und hat dabei einerseits als Behörde zu handeln, andererseits auch als gleichrangiger Partner im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung. Die Gemeinde hat sich mit den vielfältigsten Aufgaben- und Fragestellungen auseinanderzusetzen und diese auf professioneller Ebene abzuwickeln.
Den Gemeinden wird oft Langsamkeit und Schwerfälligkeit vorgeworfen. Dabei wird verkannt, dass Verwaltungsverfahren an gesetzliche Fristen gebunden sind und zumeist noch weitere Behörden und Sachverständige zwingend beizuziehen sind. Weiters obliegen viele Entscheidungen dem Gemeinderat, einem politischen Gremium, welches nicht wöchentlich tagt. Den dort gefassten Beschlüssen wiederum gehen fachspezifische Beratungen in politischen Ausschüssen voraus.
Es wird für die Gemeinde generell immer schwieriger, Stellen adäquat nachzubesetzen, insbesondere wegen dem gesetzlich definiertem Gehaltsschema. „Dies ist ein wichtiges Zukunftsthema, das gemeindeübergreifend angegangen werden sollte. Denn bestens ausgebildete, engagierte Mitarbeiter, die ihre Arbeit gerne machen, sind dabei nicht nur das Zahnrad im Gemeindegetriebe, sondern ein wichtiger Erfolgsfaktor für eine objektive, professionelle, bürgernahe und serviceorientierte Verwaltung. Die Verwaltung ist schließlich immer nur so gut wie ihre Mitarbeiter“, bringt es Jasmin Schwarz auf den Punkt.

Herausforderungen der Gemeindeverwaltung

Die Herausforderungen der Zukunft sind die Projekte von heute. Die Gemeinde hat sich zu jeder Zeit, mit der sich verändernden Gesellschaft und mit den damit verbundenen Bedürfnissen zu befassen. Deutlich wird das in der Kinderbetreuung, die sowohl in organisatorischer, personeller und finanzieller Hinsicht immer mehr Raum einnimmt, aber auch in den diversen Formen der Pflege, Betreuung und des Zusammenlebens von älteren Menschen und Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Ein großes Thema ist die fortschreitende Digitalisierung. Mit dem damit einhergehenden erforderlichen Breitbandausbau hat die Gemeinde eine weitere Aufgabe in der Daseinsfürsorge. Aber auch die Verwaltung wird sowohl in der internen Arbeit als auch in der Kommunikation mit dem Bürger immer digitaler und damit barrierefreier. Dies bietet einerseits die Chance, Kosten zu senken, Arbeiten zu erleichtern und die Qualität des Bürgerservice zu erhöhen, andererseits birgt es aber das Risiko des Verlustes des so wichtigen persönlichen Austausches. Zudem wächst die stetige Erwartungshaltung, dass auf Anfragen unverzüglich in adäquater Form geantwortet wird. Hier gilt es den Spagat zwischen moderner öffentlicher Dienstleistung und bürgernaher, persönlicher und unterstützender Anlaufstelle in vielen Lebensbereichen zu schaffen. Im Zentrum des Handelns wird in der Gemeindeverwaltung auch weiterhin der Mensch stehen!

Vernetzung und Kooperation

Für eine Gemeinde ist es außerordentlich wichtig, eine gute Vernetzung mit der Landespolitik und übergeordneten Behörden zu haben. Aufbauend auf ihre vormalige Tätigkeit im Landhaus konnte Jasmin Schwarz in den vergangenen Jahren ein fundiertes Netzwerk zur Beamtenschaft der Tiroler Landesregierung, aber auch zu Sachverständigen, Gutachtern und vielen anderen Partnern der Gemeinde ausbauen. Die Komplexität der Gemeindeagenden und der stetig steigende Anspruch der Bürger erfordern aber auch immer mehr und effektivere Kooperationen zwischen den Gemeinden. Das diesbezüglich aktuellste Projekt ist z. B. der Eintritt Neustifts in den Stubaier Standesamtsverband und damit in ein Team von Mitarbeitern, welches sich fast ausschließlich mit der umfassenden Thematik rund um Personen-, Namens- und Standesrecht befasst und auch talweite samstägliche Trauungen in und außerhalb des Standesamtes ermöglicht.
Weiters sind die Errungenschaften im Rahmen des Planungsverbandes mit dem Regionalentwicklungsprozess zu erwähnen. Jasmin Schwarz denkt dabei im Besonderen an den Breitbandausbau, das Freiwilligenzentrum, das Sommerferienprogramm und wichtige Klima- und Mobilitätsagenden, aber auch an die Zusammenarbeit und den informellen Austausch zwischen den Gemeinamtsleitern. So initiierten die Stubaier Gemeindeamtsleiter beispielsweise einen gemeinsamen Datenschutzbeauftragten für alle Stubaier Gemeinden und deren Einrichtungen. Jasmin Schwarz lobt: „Mit dem FLGT haben wir in Tirol ein engagiertes Team mit dem Ziel, vorhandene Synergien zu nutzen und damit die Gemeindeamtsleiter und somit auch mittelbar die Bürgermeister bei der Verwirklichung der Aufgaben verwaltungstechnisch zu unterstützen. Schließlich sollte nicht jeder Gemeindeamtsleiter und Bürgermeister das Rad neu erfinden müssen.“

Die Zeit nach den Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen

Kommunalwahlen stellen für die Gemeindeverwaltung stets einen hohen administrativen und auch zeitintensiven Arbeitsaufwand dar. Gehen diese noch mit einem Wechsel im Bürgermeisteramt einher, wird dieser entsprechend höher. Mit einem neuen Bürgermeister und einem neuen Gemeinderat werden neue, vielleicht auch andere Schwerpunkte in der Führung und dem Angebot in der Gemeinde gesetzt. Schließlich ändert dies jedoch nichts an die Arbeit als Gemeindeamtsleiter und die der Gemeindeverwaltung. Die Aufgabe hierbei ist es, sämtliche Vorgänge aus verwaltungsrechtlicher Sicht zu bearbeiten. Zentraler Punkt ist dabei immer, die politischen Beschlüsse auf Basis gesetzlicher Grundlagen umzusetzen und die Politik als neutraler Ansprechpartner zu beraten. Letztendlich stehen sowohl Bürgermeister als auch Gemeindeamtsleiter gemeinsam in einem ständigen Spannungsfeld zwischen den Maximen der Wirtschaftlichkeit, der Zweck- und Rechtmäßigkeit und geht damit zwangsläufig auch eine enge Zusammenarbeit, geprägt durch Loyalität, Vertrauen, gegenseitige Information und Wertschätzung einher. Die auf www.flgt.at abrufbare Berufsordnung der Tiroler Gemeindeamtsleiter bietet hierfür auch einen modernen Leitfaden.

– J.SCHWARZ

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