Martina Draper

Bundesländer

20.08.2019

Mehr Handeln bei Ärzteversorgung gefragt

Ärzte, Apotheker, Tier- und Zahnärzte gehören zu den freien Berufen. Eine Umfrage von Österreichischem Gemeindebund und der Bundeskonferenz der Freien Berufe Österreichs unter Österreichs Gemeinden bestätigt die hohe Bedeutung.

Der Österreichische Gemeindebund hat am 13. Juni 2019 gemeinsam mit der Bundeskonferenz der Freien Berufe Österreichs (BUKO) eine Umfrage präsentiert, wie die Gemeinden die Versorgung der Menschen am Land durch die Freien Berufe sehen.

Großer Wunsch der Gemeinden nach wohnortnaher Gesundheitsversorgung

Die Umfrage spiegelt den großen Wunsch der Gemeinden wider, vor Ort versorgt zu werden. 91 Prozent der Befragten sagen, die wohnortnahe Gesundheitsversorgung ist sehr wichtig. Neun Prozent finden sie wichtig. Auch eine wohnortnahe Apotheke liegt den Menschen am Herzen. 90 Prozent halten die Apotheke in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung –also auch Beratung und Anlaufstelle bei Problemen – für wichtig oder sehr wichtig. Fast 70 Prozent sehen die Apotheke als wichtigen oder sehr wichtigen lokalen Arbeitgeber. Und hier zeigt sich die Bedeutung der Freien Berufen als Arbeitgeber. Bei der tierärztlichen Versorgung sind 95 Prozent zufrieden oder sogar sehr zufrieden.

BUKO Präsident Thomas Horejs erklärt, eine bundesweite Versorgung soll es auch in Zukunft in Österreich geben: „Wir wollen die Menschen in ganz Österreich mit den Dienstleistungen der Freien Berufen versorgen. In der Bundeshauptstadt Wien ebenso wie im Tiroler Tal oder im Waldviertel. Wir wollen, dass die Vielfalt erhalten bleibt.“

Freie Berufe sind wichtige Partner für Gemeinden

„Ob in der Gesundheit, beim Wohnbau, bei der Rechtsberatung oder bei wirtschaftlichen Fragen: Die Freien Berufe sind besonders für den ländlichen Raum und die Gemeinden wichtige Partner“, betont Gemeindebund-Präsident Bürgermeister Alfred Riedl.

Die wohnortnahe Gesundheitsversorgung ist den Bürgermeistern seit jeher ein Herzensanliegen – die Ergebnisse der Umfrage bestätigen dies auch eindeutig. Gemeinden, die längere Zeit nach neuen Ärzten suchen, greifen deswegen auch immer öfter jungen Ärzten unter die Arme: Sie stellen etwa Ordinationsräumlichkeiten zur Verfügung, übernehmen die Mietkosten, unterstützen mit Neubauförderungen und Investitionszuschüssen.

Bund und Länder müssen Beruf Hausarzt wieder attraktiv machen

„Die Bürgermeister versuchen alles, um ihre Gemeinde für den Arzt attraktiv zu machen. Klar ist aber, dass diese Ausfallshaftung nicht Aufgabe der Gemeinden sein kann. Vielmehr müssten Bund, Länder und Krankenkasse dafür sorgen, dass das Berufsbild Hausarzt am Land wieder attraktiver wird“, so Riedl. Der Österreichische Gemeindebund hat zur ärztlichen Versorgung vor kurzem auch ein Positionspapier im Bundesvorstand verabschiedet, und mehr Transparenz, familienfreundliche Kassenverträge, weniger bürokratischen Aufwand, bessere wirtschaftliche Perspektiven für junge Ärzte und eine Aufwertung der Allgemeinmedizin gefordert.

Nicht nur die medizinischen Berufe werden von den Gemeinden geschätzt. Auch die wirtschaftlichen, juristischen und technischen Berufsgruppen innerhalb der Bundeskonferenz der Freien Berufe arbeiten eng mit den Gemeinden zusammen. So sind Steuerberater und Wirtschaftsprüfer starke Partner der Gemeinden, wenn es um steuerliche und finanzielle Fragen geht. Bei der Finanzbuchhaltung, der Abschlussprüfung oder den gemeindeeigenen Betrieben arbeiten Bürgermeister eng mit dieser Berufsgruppe zusammen.

Freie Berufe schaffen 170.000 Arbeitsplätze in Österreich

„In Österreich gibt es fast 82.000 Vertreter der Freien Berufe. Sie schaffen mehr als 170.000 Arbeitsplätze in Österreich. In der Stadt und am Land. Damit haben wir eine Viertelmillion Menschen, die in den Freien Berufen beschäftigt sind“, sagt BUKO Präsident Thomas Horejs. Die Freien Berufe mit ihren kleinen Einheiten (im Schnitt 3 bis 4 Angestellte) seien auch ein guter und sicherer Arbeitgeber in familiären Strukturen, betont Horejs. So sei auch im Krisenjahr 2008 kein einziger Arbeitsplatz verloren gegangen.

BUKO Präsident Horejs warnt vor Finanzinvestoren und Zahnarztketten

Angesichts der Entwicklungen in Europa (Deutschland, Spanien, Frankreich, Großbritannien und Skandinavien), wo große Finanzinvestoren und Hedgefonds Zahnarztketten errichten, wurden in der Umfrage die Gemeinden nach ihren Wünschen gefragt. 82 Prozent bevorzugen eine persönliche, zahnmedizinische Versorgung. BUKO Präsident Thomas Horejs warnt vor den Auswirkungen, sollten große Ketten kleine Zahnarztordinationen auch in Österreich ersetzen.

„In Deutschland haben in den vergangenen Jahren Finanzinvestoren, die gar nichts mit Zahnmedizin zu tun haben – zum Beispiel die Eigentümer der Kaffeerösterei Jacobs oder Hedgefonds –  in großem Stil Zahnarztpraxen aufgekauft. Sie bauen diese dann in große Kliniken um – dort, wo es sich wirtschaftlich lohnt, in Ballungszentren, in den Großstädten. Wer woanders wohnt, dort, wo die wirtschaftliche Situation nicht gut ist, hat Pech gehabt. Im Osten Deutschland gibt es etwa keine einzige solche Klinik. Das ist Zahnmedizin unter rein marktwirtschaftlichem Ansatz, nur der Profit zählt, nicht mehr die Menschen und ihre Gesundheit. Das wollen wir in Österreich nicht. Wir wollen, dass es in Österreich weiterhin überall – in der Stadt und auch am Land – Versorgung der Menschen durch Ärzte, Zahnärzte, Apotheken gibt. Dass zum Wohle der Patienten gearbeitet wird und nicht in wirtschaftlicher Abhängigkeit von Großinvestoren“, so Horejs weiter.

Jobsharing als Anreiz für Junge, am Land zu arbeiten

„Wir haben verschiedene Formen der Zusammenarbeit im Zahnarztbereich geschaffen. Im Bereich der Kassen kann das zum Beispiel Jobsharing sein. Damit können sich zwei Kolleg/innen eine Kassenstelle teilen. Das wird sehr gerne angenommen und somit sichern wir die zahnärztliche Versorgung am Land“, erklärt BUKO Präsident Horejs die Strategie der Zahnärztekammer.

Appell an Beamtenregierung

Auch die Politik sei gefordert, so Horejs: „Ich appelliere an die Beamtenregierung, die ja gerade als Experten einen klaren Blick haben, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass die Freien Berufe auch in Zukunft in der bewährten Form – selbstständig und unabhängig, zum Wohle der Patienten und Klienten arbeiten können. In der Stadt und auch in den ländlichen Gemeinden.“

Hintergrundinformation

Zu den Freien Berufen zählen in Österreich die medizinischen Berufe Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker. Die juristischen bzw. wirtschaftlichen Berufe Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte sowie Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Sowie die technischen Berufe Ziviltechniker. Die Bundeskonferenz der Freien Berufe Österreichs (BUKO) ist der Dachverband der neun Freiberufskammern und als nicht gewinnorientierter Verein organisiert. (Weitere Informationen: www.freie-berufe.at)

Die Umfrage wurde vom Österreichischen Gemeindebund im Juni 2019 durchgeführt. Die Umfrage wurde zielgruppenorientiert durchgeführt und online an Bürgermeister/innen sowie Gemeinderatsmitglieder geschickt. Durch offene Fragen konnten Anregungen und Erfahrungen der Gemeinden ausgewertet werden.

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