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29.01.2021

Bürgermeister unter Beschuss: In der Pandemie liegen die Nerven blank

Was muss sich ein Bürgermeister alles gefallen lassen? Von beleidigenden Sprüchen im Netz bis zur Morddrohung: Die Liste der Angriffe, die manche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ertragen müssen, ist leider lang. Nach einem turbulenten Pandemiejahr voller Unsicherheit ist die Lage nicht gerade entspannter.

„Es gibt immer Menschen, die sich nicht verstanden fühlen, und das amplifiziert sich natürlich in einer Krisensituation. In Extremfällen kommt es dann zu Grenzüberschreitungen, um Gehör zu finden. So passieren große Kränkungen und Verletzungen“, betont Vizepräsidentin des Österreichischen Gemeindebundes Sonja Ottenbacher. Als ausgebildetet Psychotherapeutin und Bürgermeisterin hat die Salzburgerin einen guten Einblick in das Sujet.

Wer einen Sündenbock sucht, findet ihn auch

Der jüngste Fall, der durch die Medien geisterte, spielte sich im burgenländischen Unterfrauenhaid ab. Dort drohte ein verärgerter Bürger dem Bürgermeister mit Mord, und verursachte damit einen Polizeigroßeinsatz. Der Mann machte den Bürgermeister für berufliche Probleme verantwortlich. „Nachdem die Coronazeit schon so lange dauert, sind bei jedem, egal ob Politiker oder Bürger, große Belastungen spürbar, die Nerven liegen blank. Die Leute sind überfordert, unsicher. Daran ist niemand Schuld, das ist der Situation geschuldet. Doch wenn man einen Sündenbock sucht, findet man auch einen“, so Ottenbacher.

Auch bei der Vordrängler-Debatte sei laut der Bürgermeisterin auf Differenzierung vergessen worden. „Es gab teils massive Angriffe und Beleidigungen, nicht nur auf einzelne Menschen, sondern generell auf das Amt des Bürgermeisters. Das demotiviert. Da hat es leider an der Kommunikation gehapert“,  so Ottenbacher.

Hass im Netz nimmt zu

Als Psychotherapeutin weiß Sonja Ottenbacher, wie wichtig ein respektvoller Umgang miteinander ist: „Wenn man untereinander den wertschätzenden Umgang verliert, geht das an die Substanz. Kritisieren kann man vieles, doch die Würde eines Menschen sollte unantastbar bleiben.“ Der Aufstieg der sozialen Medien bot den Anfeindungen jedoch nur noch mehr Verbreitungsfläche.

Um diesem Problem Einhalt zu bieten, ist derzeit ein Gesetzespaket gegen Hass im Netz in Planung: Es soll eine Löschpflicht für rechtswidrige Inhalte und eine stärkere Verfolgung solcher Delikte beinhalten. Das Ziel ist, Täter schneller ausforschen zu können. Bereits jetzt bietet der Verein ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) Betroffenen seine Unterstützung an. Wie ZARA Kommunalpolitikern konkret hilft, und was man sonst noch gegen Hass im Netz unternehmen kann, erklärt ZARA-Geschäftsführerin Caroline Kerschbaumer in einem Expertentalk mit Kommunalnet.

Abseits der rechtlichen Beratung hat Bürgermeisterin Sonja Ottenbacherin einen zwischenmenschlichen Tipp zum Umgang mit Anfeindungen: „Gerät man in so eine Situation, ist das ein enormer Druck und schwer verdaulich. Betroffenen kann ich nur immer wieder raten: Tauscht euch mit euren Kolleginnen und Kollegen aus. Ihr seid nicht allein. Unbedingt darüber sprechen, sich austauschen und Unterstützung annehmen. Es ist wichtig, solche Sachen nicht hinunterzuschlucken, sondern offen anzusprechen.“

-E. AYAZ

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