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Recht

10.10.2020

Wegehalterhaftung – worauf Gemeinden achten müssen

„Gemeinde soll für Rutschpartie zahlen“ lautete vor kurzem eine Schlagzeile einer Tageszeitung. Auf einer vereisten Straßenbrücke war ein Autofahrer ins Schleudern geraten, was mit einer unerwünschten Begegnung mit dem Brückengeländer endete. Daraufhin forderte dieser von der Gemeinde den an seinem Auto entstandenen Sachschaden ein. Im Rahmen der Wegehalterhaftung gemäß § 1319a ABGB haftet die Gemeinde für Schäden, die durch den mangelhaften Zustand eines Weges entstehen, wenn der Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet wurde. Es handelt sich somit um einen Sonderfall der Verletzung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten.

Gesetzeslage § 1319a ABGB: Wegehalter für Schäden verantwortlich

Wird durch den mangelhaften Zustand eines Weges ein Mensch verletzt oder eine Sache beschädigt, so haftet derjenige für den Ersatz des Schadens, der für den ordnungsgemäßen Zustand des Weges als Halter verantwortlich ist, sofern er oder einer seiner Mitarbeiter oder Gehilfen den Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet hat. Ist der Schaden bei einer unerlaubten, widmungswidrigen Benützung des Weges entstanden und ist die Unerlaubtheit dem Benützer entweder nach Art des Weges oder durch entsprechende Verbotszeichen – eine Abschrankung oder eine sonstige Absperrung des Weges – erkennbar gewesen, so kann sich der Geschädigte auf den mangelhaften Zustand des Weges nicht berufen.

Ein Unfall wurde durch ein Schlagloch in der Straße verursacht – haftet dafür die Gemeinde als Wegehalter? ©Karl-Heinz H. – Fotolia.com

Halter eines Weges ist, wer die Kosten seiner Errichtung und Erhaltung trägt und über ihn die Verfügungsmacht hat. Unter Weg versteht man eine Landfläche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen für den Verkehr jeder Art benützt werden darf, auch wenn sie nur für einen eingeschränkten Benutzerkreis bestimmt ist. Wege in diesem Sinne sind somit auch Skipisten, Rodelbahnen, Langlaufloipen, Rad- oder Gehwege, Parkplätze, Wanderwege oder Klettersteige. Zu einem Weg gehören auch die in seinem Zug befindlichen und dem Verkehr dienenden Anlagen, besonders Brücken, Stützmauern, Durchlässe, Graben und Pflanzungen. Daher hat die Gemeinde als Wegehalter auch Felswände auf absturzgefährdete Teile oder Bäume auf Standsicherheit oder totes Holz zu untersuchen.

Mangelhaftigkeit des Weges und Zumutbarkeit

Der im § 1319a ABGB geforderte Zustand des Weges richtet sich danach, was dem Halter zugemutet werden kann, wobei sich diese Frage nicht nur auf die Durchführung der notwendigen Maßnahmen, sondern auch auf die erforderlichen regelmäßigen Kontrollmaßnahmen bezieht. Der Zustand des Weges ist insbesondere mangelhaft, wenn wegen Vernachlässigung der Instandhaltung oder Bestreuung auf der Fläche unübliche Schäden eingetreten sind, wenn Gefahrenquellen (z.B. Schnee, Eis) nicht beseitigt werden oder Sicherungseinrichtungen fehlen.

Ist z.B. ein Weg laut OGH für das Befahren mit Rodeln freigegeben, kann der Benützer auf dessen verkehrssicheren Zustand vertrauen und damit rechnen, dass keine atypischen Gefahrenquellen vorhanden sind bzw. zumindest ausreichend gekennzeichnet oder entschärft sind. Das Fehlen eines Brückengeländers im Verlauf einer kurvenreichen Rodelabfahrt wäre z.B. eine atypische Gefahrenquelle.

Auch bei Unfällen auf Schneefahrbahnen wird die Gemeinde oft in die Pflicht genommen. In Klosterneuburg ist rund um dieses Thema kürzlich ein Streit ausgebrochen: Aufgrund der komplexen Gesetzeslage weigert sich die Gemeinde, fortan an den Bushaltestellen Schnee zu räumen bzw. zu streuen. ©A. Dengs_pixelio.de

Welche Maßnahmen ein Wegehalter im Einzelnen zu ergreifen hat, richtet sich laut ständiger Judikatur des OGH danach, was nach der Art des Weges für seine Instandhaltung angemessen und nach objektiven Maßstäben zumutbar ist. Interessant hierbei ist, dass bei kleineren Gemeinden hinsichtlich der Zumutbarkeit der zu treffenden Maßnahmen laut OGH andere Maßstäbe heranzuziehen sind als bei größeren Einheiten wie Bund oder Land bzw. große Städte.

Fahrlässigkeit muss bewiesen werden

Die Beweislast, dass der Schaden auf den mangelhaften Zustand eines Weges zurückzuführen ist, trifft den Geschädigten. Dieser hat auch die Haltereigenschaft des Belangten sowie dessen grobe Fahrlässigkeit zu beweisen. Die Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit gilt jedoch nicht für eine vertragliche, entgeltliche Wegehalterpflicht, wie z.B. bei Mautstraßen, Parkplätzen, Skiabfahrten. In diesen Fällen reicht für eine Wegehalterhaftung bereits leichte Fahrlässigkeit aus.

Haftung auslagern möglich

Ist der mangelhafte Zustand durch Mitarbeiter oder Gehilfen der Gemeinde verursacht worden, so haften diese auch selbst, aber ebenfalls nur für grobes Verschulden. Die Gemeinde als Halter kann sich durch Beauftragung von selbständigen Unternehmen von der Haftung grundsätzlich befreien. Hierfür empfiehlt sich eine konkrete schriftliche Beauftragung. Die Gemeinde haftet jedoch weiterhin für ein Auswahl- und Überwachungsverschulden. In schwerwiegenden Fällen kann es neben zivilrechtlichen auch zu strafrechtlichen Konsequenzen (z.B. wegen fahrlässiger Körperverletzung) führen.

Bei grober Fahrlässigkeit haftet Wegehalter

Unter grober Fahrlässigkeit versteht man eine auffallende Sorglosigkeit, bei der der Eintritt des Schadens nicht nur möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich anzusehen ist. Ob ein Schadenseintritt als wahrscheinlich voraussehbar und daher grobes Verschulden gegeben ist, ist laut OGH nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Eine Gemeinde unterlässt z.B. die jährliche Überprüfung der gemeindeeigenen Wanderwege und übersieht dadurch, dass die Bäume am Wegrand bereits morsch sind. Ein zwölfjähriger Bub stolpert auf einem 1,5 bis 2 Meter breiten asphaltierten Weg über eine Erhöhung von 10 Zentimetern, die durch eine in den Weg hineingewachsene Wurzel bedingt war und verletzt sich schwer. Da dieser gefährliche Zustand schon lange bestand, nimmt der OGH in seiner Erkenntnis grobe Fahrlässigkeit an und bejaht die Haftung des Wegehalters.

Haftpflichtversicherung empfehlenswert

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, daher empfiehlt es sich eine ausreichende Haftpflichtversicherung abzuschließen, welche nicht nur die Schadenszahlung bei berechtigten, sondern auch die Abwehr unberechtigter Schadenersatzforderungen übernimmt.

Eine laufende Kontrolle und Dokumentation der gemeindeeigenen Wege ist aus Haftungsgründen unerlässlich. Ob die Gemeinde als Wegehalter alle zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, damit eine gefahrlose Benützung ihrer Wege sichergestellt ist, ist letztendlich immer im Einzelfalle abzuklären.

-B. SCHARMER

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