EVN

Infrastruktur

09.06.2022

Die Krux mit dem heimischen Stromnetz

Während man hierzulande das ambitionierte Ziel verfolgt, bis 2040 klimaneutral zu sein, scheint das Stromnetz den hohen Anforderungen nicht gerecht zu werden – vorerst.

Der Februar war ein guter Monat für die Windkraftanlagen hierzulande: Wie schon in den ersten vier Wochen des Jahres 2022 war auch der zweite Monat von stürmischen Winden geprägt – durch die damit verbundene gute Stromerzeugung aus Windenergie konnten die Windhochburgen Niederösterreich und Burgenland ein Vielfaches an Energieüberschuss erzeugen und über das Netz der Austrian Power Grid (APG) österreichweit zur Verfügung stellen.

Ein durchschnittlicher Haushalt in Österreich verbraucht in etwa 4.500 Kilowattstunden im Jahr. Die gute Stromerzeugung durch Windkraft ist Grund dafür, dass im Februar rund 60 Prozent des heimischen Strombedarfs (3.170 GWh) nachhaltig gedeckt werden konnten. Über das regionale Stromnetz der APG wird auch der Energieaustausch innerhalb des Landes ermöglicht. Stromüberschüsse der einzelnen Bundesländer können dadurch österreichweit verteilt und Defizite kompensiert werden.

Stromnetz als Flaschenhals

Genau dieses Stromnetz wird jedoch immer mehr zum Flaschenhals. Denn die Transportkapazitäten reichen in Spitzenzeiten einfach nicht mehr aus, um bei hohem Wind- und Sonnenaufkommen die volle Energie zu den Verbrauchern zu bringen.

Netzbetreiber hierzulande kommen immer häufiger in die Situation, dass sie Windräder vom Netz nehmen müssen, um das Stromnetz stabil zu halten. Das entscheidende Problem stellt dabei die Substanz einer Infrastruktur dar, die im vorigen Jahrhundert errichtet wurde.

In Österreich gibt es daher Leitungsprojekte, die dringend umgesetzt werden müssen, damit die Leistungsfähigkeit und Stabilität des Stromnetzes auch in Zukunft gewährleistet ist. Die Weinviertelleitung etwa, die durch das nordöstliche Weinviertel verläuft, wurde bereits vor 70 Jahren gebaut und hat mittlerweile massiven Sanierungsbedarf. Da in diesem Gebiet große Windparks stehen und Windprojekte geplant sind, ist die Transportkapazität an ihre Grenzen gestoßen.

Die Zukunft ist elektrisch

Aktuell liegt der Anteil nicht erneuerbarer Energieträger im Strommix bei 33,4 Prozent. Nach dem erst unlängst in Kraft getretenen Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz soll bis 2030 die österreichische Stromversorgung national bilanziell auf 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energiequellen umgestellt werden.

Dafür muss die jährliche Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen mengenwirksam um 27 TWh gesteigert werden. Zudem soll Österreich bereits im Jahr 2040 – und damit zehn Jahre früher als im Green Deal der EU vorgesehen – klimaneutral sein.

Jedoch sei es zu wenig „nur nachhaltige Anlagen auszubauen, denn die regionale Verteilung der Erneuerbaren Energien erfordert einen zügigen und ganzheitlichen Um- und Ausbau der Strominfrastruktur bzw. des gesamten Energiesystems“, sagt Gerhard Christiner, technischer Vorstand der APG und führt weiter aus: „Für die sichere Transformation des Energiesystems ist neben dem Ausbau der Strominfrastruktur die Anwendung innovativer State-of-the-Art-Technologien Voraussetzung. Damit kann die Integration der Erneuerbaren und die Nutzung aller Flexibilitätsoptionen von Industrie und Wirtschaft und gleichzeitig deren Elektrifizierung möglich gemacht werden. Die Umsetzung der Energiewende ist eine gemeinsame gesellschaftliche Mammutaufgabe. Sie kann nur dann gelingen, wenn in der Umsetzung das Kundeninteresse im Vordergrund steht und es entsprechende regulatorische Rahmenbedingungen gibt.“

Gesamtsystemplanung vonnöten

Die aktuellen Entwicklungen der Strom- und Energiepreise sowie die geopolitischen Entwicklungen in der Ukraine zeigen auf, wie wichtig eine rasche und sichere Transformation zu einem nachhaltigen Energiesystem ist.

„Dazu braucht es eine umgehende Gesamtsystemplanung sowie entsprechende Kapazitäten in den Bereichen Netze, Speicher, Produktion, Reserven und digitale Plattformtechnologien zur Nutzung der Flexibilitäten aller Akteure des Systems. Dies alles muss umgehend erfolgen. Die Beschleunigung und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren sind dabei ein zentraler Hebel“ stellt Christiner klar. Damit die Transformation des Energiesystems gelingt, investiert die APG bis 2032 rund 3,5 Milliarden Euro in die heimische Stromversorgung.

-B. STEINBÖCK

Zum Autor

Bernhard Steinböck ist Pressesprecher des Niederösterreichischen Gemeindebundes.

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