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Energie

Recht

13.10.2022

Der Angriff der Windräder auf die Gemeindeautonomie

Die Energiewende braucht schnelle und effiziente Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren. Der derzeit vorliegende Entwurf zur Novellierung des Umweltverträglichkeits­prüfungsgesetzes 2000 greift jedoch hinsichtlich Wind­kraft­anlagen unverhältnismäßig in die Gemeindeautonomie ein.

Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) beschloss der National­rat im letzten Jahr ein äußerst ambitioniertes Vorhaben. Bis 2030 soll der Gesamtstromverbrauch in Österreich zu hundert Prozent national bilanziell aus erneuerbaren Energien gedeckt ­werden. Dafür müssen bis 2030 27 Terawattstunden (TWh) Strom aus erneuerbaren Quellen zugebaut werden. Für all jene Vorhaben, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bedürfen, könnte es angesichts der Verfahrensdauern im UVP-Verfahren knapp werden.

Verfahren können fast zehn Jahre dauern

Die UVP für Großprojekte nimmt nicht selten mehrere Jahre in Anspruch. Den Rekord hält derzeit das Pumpspeicherkraftwerk im Tiroler Kühtai mit einer Verfahrensdauer von knapp zehn Jahren. Auch die UVP für die 380-kV-Salzburgleitung war mit acht Jahren nicht besonders zügig. In Anbetracht dessen und der noch verbleibenden Zeit braucht es für ein Gelingen des Umstiegs auf 100 Prozent erneuerbare Energien raschere UVP-Verfahren. Andernfalls könnten langwierige Umweltverträglichkeitsprüfungen zum Hemmschuh der Energiewende werden.

Spezielle Regelungen für Windkraftanlagen

Mit einer Novellierung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP-G 2000) will das Klimaschutzministerium dieser Forderung nachkommen. Ein besonderes Anliegen ist dem Ministerium dabei der Ausbau der Windkraft. Der Entwurf sieht deshalb für die unter das Regime des UVP-G 2000 fallenden Windkraftanlagen spezielle Regelungen vor.

Nach dem neuen § 4a soll bei Windkraftanlagen künftig danach unterschieden werden, ob es in dem für das Vorhaben relevanten Bundesland bereits eine im Einklang mit den Ausbauzielen des EAG stehende überörtliche Energieraumplanung gibt. Wenn das Bundesland über eine überörtliche Energieraumplanung mit entsprechenden Zonierungen für Windkraft verfügt, sollen auf diesen Flächen unabhängig von der Widmung auf Gemeindeebene Windkraftanlagen genehmigt werden dürfen.

Standortgemeinden müssen Windrädern zustimmen

Auch bei Fehlen einer überörtlichen Energieraumplanung sowie einer entsprechenden Widmung der Gemeinde sollen Windkraftanlagen genehmigt werden können. In diesem Fall haben die Projektwerber jedoch mit dem Genehmigungsantrag die Zustimmung der Standortgemeinde nachzuweisen. Weshalb eine solche Zustimmung nur bei Fehlen, nicht aber bei Vorliegen einer Energieraumplanung verlangt wird, lässt sich weder dem Entwurf noch den Erläuterungen entnehmen. Ein sachlicher Grund für die Unterscheidung ist nicht zu erkennen.

Der Bund rechtfertigt den neuen § 4a mit den fehlenden planungsrechtlichen Festlegungen in mehreren Bundesländern bei Windkraftanlagen. Aus diesem Grund vermeint er einen Bedarf nach einer einheitlichen Regelung, weshalb die Bedarfskompetenz des Art. 11 Abs. 1 Z 7 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) in Anspruch genommen werden könne.

Dass planerische Festlegungen der Länder und Gemeinden künftig kein Genehmigungskriterium für Windkraftanlagen sein sollen, wirft jedoch erhebliche kompetenzrechtliche Bedenken auf.

Eingriff in die Kompetenz der Gemeinden

Der neue § 4a greift schwerwiegend in die Raumordnungskompetenz der Länder sowie die Widmungskompetenz der Gemeinden ein. Dies lässt sich meines Erachtens nach nicht mit der Anwendung von Art. 11 Abs. 1 Z 7 B-VG legitimieren.

So weist diese Bestimmung dem Bund zwar eine Bedarfskompetenz zur einheitlichen Regelung der Genehmigung UVP-pflichtiger Vorhaben zu, wonach der Bundesgesetzgeber für eine Verfahrenskonzentration vorsehen kann, dass landesgesetzliche Bewilligungs- und Genehmigungskriterien mitanzuwenden sind.

Art. 11 Abs. 1 Z 7 B-VG ist aber nicht so weitgehend zu verstehen, dass der Bundesgesetzgeber mitanzuwendendes Landesrecht materiell abändern darf. Andernfalls hätte es nämlich der einfache Bundesgesetzgeber in der Hand, unter Bezugnahme auf die Notwendigkeit der Ausübung der Bedarfskompetenz die Landeskompetenzen auszuhöhlen. Ein solches Ergebnis kann dem Verfassungsgesetzgeber wohl nicht unterstellt werden.

Örtliche Raumplanung kann nicht eingeschränkt werden

Im Hinblick auf die Flächenwidmung wird zudem übersehen, dass die Vollziehung der örtlichen Raumplanung gemäß Art. 118 Abs. 3 Z 9 B-VG explizit von den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen ist. Die örtliche Raumplanung ist somit den Gemeinden jedenfalls und unwiderleglich zur Besorgung verfassungsgesetzlich gewährleistet.

Als solches kann die örtliche Raumplanung auch nicht mit dem Argument eingeschränkt werden, dass die Widmung für Windkraftanlagen nicht im überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen oder nicht geeignet sei, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden.

Gemeinden kennen Gegebenheiten vor Ort am besten

Aber nicht nur rechtliche Gründe sprechen gegen das gegenständliche Vorhaben. Die Erfahrungen zeigen, wie sensibel die Bevölkerung zum Thema Windkraft steht. Bedenken und Vorbehalte müssen behutsam abgebaut werden. Aus diesem Grund ist es von besonderer Bedeutung, dass regionale Unterschiede und Herausforderungen bei der Windkraft berücksichtigt werden.

Wer, wenn nicht die Gemeinden sind es, die die lokalen Gegebenheiten und die Bevölkerung am besten kennen? Zudem sind es die Gemeinden, die durch eine positive Haltung zur Windkraft und in direkten Gesprächen mit den Menschen zur Akzeptanz beitragen können. In der Vergangenheit hat sich bei zahlreichen Windkraftprojekten ein gemeinsames Vorgehen im Einklang mit Projektwerber:innen, Gemeinden und Bürger:innen bewährt. Ein Aufstellen von Windkraftanlagen ohne Einbeziehung der lokalen Ebene wird hingegen wohl kaum die Akzeptanz in der Bevölkerung steigen lassen.

Schnellere Verfahren dürfen Raumordnungskompetenzen nicht aushebeln

Abschließend bleibt somit festzuhalten, dass die legistischen Bemühungen um eine schnellere und effizientere UVP grundsätzlich zu begrüßen sind. Kürzere Verfahrensdauern stellen einen wichtigen Baustein für das Gelingen der Energiewende dar.

Bei aller Notwendigkeit von kürzeren Verfahrensdauern und Verfahrenseffizienz dürfen die bestehenden Raumordnungskompetenzen aber nicht ausgehebelt werden. Eine Verfahrensbeschleunigung darf nicht zu Lasten der Kompetenzen der Gemeinden und deren Autonomie bei der örtlichen Raumplanung gehen. Die Raumplanung ist aus guten Gründen bei den Ländern und Gemeinden angesiedelt. Damit bleibt zu wünschen, dass der Entwurf zum UVP-G 2000 nach dem nunmehr erfolgten Begutachtungsverfahren aus den genannten Gründen noch überarbeitet und abgeändert wird.

-M. PICHLER

Zum Autor

Mathias Pichler ist Fachreferent in der Abteilung Recht & Inter­nationales des Österreichischen Gemeindebundes.

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