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01.02.2023

Abwanderung? Zuwanderung? Viele Faktoren entscheiden

Manche Gemeinden kämpfen um jedes neue Gemeindemitglied, andere müssen Zuzüglern regelmäßig absagen. Viele Standortfaktoren kann man ohnehin nicht beeinflussen, ein jahrelanger Trend lässt sich nicht einfach umdrehen. Aber es gibt Maßnahmen, die wirken. Die Bürgermeisterzeitung hat in vier unterschiedlichen Gemeinden bei den Ortschefs nachgefragt:

Dorfbeuern

Gemeinde: Dorfbeuern
Einwohner: 1.580
Bürgermeister: Adolf Hinterhauser

Abwanderung ist definitiv keines unserer Probleme im Ort. Ganz im Gegenteil. Ich bekomme praktisch im Drei-Wochen-Rhythmus Anfragen von Leuten, die auf der Suche nach einem Haus oder Baugrundstück in unserer Gemeinde sind.

Als ich 2004 Bürgermeister von Dorfbeuern wurde, hat ein Quadratmeter Bauland im Schnitt 55 Euro gekostet, jetzt sind es 200 bis 220 Euro, am privaten Markt werden bis zu 300 Euro verlangt. Inzwischen müssen wir bei der Zuwanderung eher bremsen. Es gibt einfach zu wenig Platz. Wir arbeiten derzeit an einem Sicherungssystem für Bauland, so sollten 13 Parzellen entstehen, die aber primär für Einheimische gedacht sind.

Unsere Gemeinde liegt zwar 30 Kilometer nördlich von Salzburg, im Grenzgebiet zu Bayern und Oberösterreich. Durch die gute Anbindung ist man aber trotzdem in einer halben Stunde in der Landeshauptstadt, nach Burghausen in Deutschland, einem der wirtschaftsstärksten Landkreise Bayerns, sind es nur 25 Minuten und auch nach München ist es nicht weit. Dazu kommt, dass wir umgeben von Arbeit sind: Das Technologieunternehmen ABB ist in der Nähe, ebenso das KTM-Werk. Und in ein paar Minuten ist man mit dem Auto im Naherholungsgebiet rund um die Salzburger Seen.

Lieber klein und fein

Man muss einfach sagen, dass wir in Dorfbeuern herrliche wirtschaftliche, geografische und klimatische Bedingungen haben. Dazu kommt eine gute Infrastruktur mit einem umfangreichen Kinderbetreuungspaket: Kindergarten und Volksschule haben bis 16 Uhr geöffnet, ebenso die Neue Mittelschule. Wir haben einen großen Billa-Supermarkt mit 500 Quadratmetern, eine Bäckerei und zwei Gasthäuser. Dass wir kaum Industrie haben und jährlich nur 100.000 Euro an Kommunalsteuern bekommen, ist aus meiner Sicht überhaupt kein Fehler. Um ehrlich zu sein, beneide ich andere Gemeinden überhaupt nicht, wenn sie mit Betrieben vollgepumpt sind. Ganz abgesehen davon, dass das Thema Bodenversiegelung immer wichtiger wird, halte ich es mit der Devise: Lieber klein und fein.

Eschenau

Gemeinde: Eschenau im Hausruckkreis
Einwohner: 1.051
Bürgermeister: Hannes Humer

Wenn man sich die Statistik der letzten 20 Jahre ansieht, ist die Bevölkerungszahl insgesamt gesunken. Wir konnten den Trend aber stoppen, in den letzten Jahren ist die Gemeinde wieder gewachsen – was wir so gar nicht geplant hatten. Meine Priorität war es, die Abwanderung zu beenden. Eschenau liegt in einer eher strukturschwachen Region, es gibt keine große Infrastruktur im Umland. Die meisten müssen zur Arbeit pendeln, es gibt keine Eisenbahn und bis zur Autobahn fährt man 35 Kilometer. Da ist es schwer für Betriebe, sich anzusiedeln.

Schnelles Internet und Kindergärten

Wir haben als Gemeinde viel in die Infrastruktur investiert: Mobilfunkanlagen über das gesamte Gemeindegebiet, Glasfaserkabel für schnelles Internet bin hin zu den abgelegensten Höfen. Ein Problem ist, dass man bei uns fast auf ein eigenes Auto angewiesen ist. In der Regel haben die Menschen bei uns weitere Wege zur Arbeit. Es gibt zwar eine Busverbindung, die aber sehr starr ist. Es ist schwer, wenn man den öffentlichen Verkehr nutzen möchte, aber zugleich flexibel sein muss. Aus wirtschaftlicher Sicht ist das nachvollziehbar: Busse sind teuer, die Fahrgastzahlen nicht besonders hoch. Mit den Nachbargemeinden denken wir nun über neue Lösungen nach, mit lokalen Busverbindungen. Ein Konzept dazu gibt es bereits, das aber noch in der Schublade liegt, weil es an der Finanzierung scheitert. Vielleicht wird das noch ein Thema.

Zu wenig Bauland

Ein großes Thema sind natürlich die Jungen. Als Gemeinde versuchen wir, sie bei Bauvorhaben gut zu beraten, um gemeinsam Lösungen zu finden. Das Baurecht ist kompliziert, gerade draußen im Grünland. Oft geht es auch darum, bestehende Gebäude zu nutzen, um den Jungen eine Möglichkeit zu geben, dazubleiben. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage haben wir inzwischen fast zu wenig Bauland. Punktuell gelingt es uns aber immer wieder, einzelne Parzellen zu schaffen. Was sehr gut funktioniert, ist die Kinderbetreuung. Da investieren wir viel, gemeinsam mit unserer Nachbargemeinde schießen wir bei einem Kindergarten der Pfarrcaritas zu, der nun ausgebaut wird. Vielleicht haben wir auch deshalb eine sehr gute Geburtenrate: Das ist nämlich der Hauptgrund, warum wir in den letzten Jahren wieder gewachsen sind.

Jungholz

Gemeinde: Jungholz
Einwohner: 294
Bürgermeister: Karina Konrad

Unsere Bevölkerungszahl war in den letzten Jahren relativ stabil zwischen 290 und 310 Einwohnerinnen und Einwohnern. Wir sind eine sehr kleine Gemeinde, die stark vom Tourismus abhängig ist: Andere Arbeitsplätze gibt es bei uns leider nicht. Früher hatten wir trotz der Kleinheit unserer Gemeinde drei Banken im Ort: aus touristischen Gründen und aufgrund unserer geografischen Sondersituation. Jungholz ist fast ringsum von bayerischem Staatsgebiet umgeben. Inzwischen sind aber alle Institute abgewandert.

Mit den Jungen in Kontakt bleiben

Ein großes Thema sind die Jungen, von denen natürlich viele irgendwann auf Achse gehen und in Innsbruck, Salzburg oder Wien studieren. Danach kommen aber sehr viele von ihnen gerne wieder zurück in ihren Heimatort. Ich denke, das liegt auch daran, dass wir als Gemeinde sehr viel für die Jugend machen. Außerdem gibt es bei uns sehr viele Vereine, die meisten haben starke Wurzeln zu den Eltern und Großeltern. Da gibt es eine enge Bindung.

Bei knapp 300 Einwohnerinnen und Einwohnern kennt man einander außerdem – als Bürgermeisterin weiß ich in der Regel recht genau, wo sich unsere jungen Leute gerade aufhalten. Natürlich hält man da Kontakt, redet miteinander, wenn man sich im Wirtshaus oder bei Veranstaltungen trifft. Das ist wichtig, um die Bindung zum Heimatort zu stärken.

Bei Zweitwohnsitzen heißt es Nein

Um neue Einwohnerinnen und Einwohner aus den urbanen Ballungszentren werben wir als Gemeinde nicht aktiv. Es gibt viele Menschen, die von der landschaftlichen Schönheit in Jungholz begeistert sind und gerne zu uns ziehen möchten. Oft sind es allerdings auch Leute, die auf der Suche nach einer Ferienwohnung oder einem Zweitwohnsitz im Grünen sind. In den meisten Fällen verfügen sie durchaus auch über die entsprechende Liquidität. Inzwischen sagen wir bei solchen Anliegen aber trotzdem grundsätzlich Nein. Aufgrund unserer Sondersituation haben wir schon jetzt 18 Prozent Zweitwohnsitze – weitaus mehr, als eigentlich gesetzlich vorgesehen sind.

Grän

Gemeinde: Grän
Einwohner: 690
Bürgermeister: Martin Schädle

Bei uns im Nordwesten Tirols orientiert sich alles am Tourismus. Das hat natürlich nicht immer nur Nachteile. Es bringt aber auch große Vorteile mit sich. Einer davon ist – und da kann ich vermutlich für unsere ganze Region sprechen –, dass die Abwanderung praktisch kein Thema ist. Einige Nachbargemeinden wachsen derzeit deutlich. Bei uns ist das eher eine Seitwärtsbewegung, zuletzt hat die Bevölkerung ganz leicht abgenommen.

Der Tourismus schafft Arbeitsplätze und Sicherheit in der Region, zudem bringt er den Menschen vor Ort Annehmlichkeiten, die es sonst für die Einheimischen nicht gäbe, weil sie praktisch unleistbar wären: von den Liftanlagen über Loipen bis hin zu Beachvolleyballplätzen. Freizeitmöglichkeiten gibt es bei uns mehr als genug.

Infrastruktur ausbauen

Unabhängig davon muss man als Gemeinde natürlich immer attraktiv bleiben. Und deshalb auch investieren. Wir haben schon vor fünf Jahren das Glasfasernetz in der ganzen Region stark ausgebaut. Damit haben bei uns auch Privathaushalte eine Internetverbindung, wie es sie sonst nur in den großen Städten gibt. Zum Teil bieten wir in der Gemeinde sogar freies WLAN an. Abgesehen von den Förderungen war auch das nur möglich, weil wir eine so starke Hotellerie und Gastronomie in unserer Gemeinde haben.

-R. GEBERS

Über den Autor

Reiner Gebers ist Herausgeber der Bürgermeisterzeitung beim KOMMUNAL.

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