Es ist kein Geheimnis, dass sich die Europäische Union auf die Gemeinden auswirkt und von ihnen auch aktiv umgesetzt werden muss. Rund 70 Prozent des EU-Rechts betrifft die Gemeinden mittelbar oder unmittelbar, denn nicht nur Umwelt- und Vergaberecht sind lokal umzusetzen, auch das Binnenmarkt- und das Wettbewerbsrecht treffen die Gemeinden als Erbringer der Daseinsvorsorge, als Fördergeber und Datensammler. Daher kann ein Überblick über kommunalrelevantes EU-Recht immer nur an der Oberfläche kratzen, einen Versuch ist es dennoch wert.
Abfallwirtschaft
Im Bereich der Abfallwirtschaft definiert die Abfallrahmenrichtlinie den Begriff des Siedlungsabfalls, was für die kommunalen Entsorgungsbetriebe nicht unerheblich ist.
Bei der letzten Revision der Abfallrahmenrichtlinie sollten etwa betriebliche Siedlungsabfälle, also z. B. aus örtlichen Gewerbebetrieben, mengenmäßig beschränkt werden, was zu einer Marktöffnung in diesem speziellen Bereich und möglicherweise höheren Gebühren für Haushalte geführt hätte.
Aktuell verhandeln EU-Parlament und Rat eine weitere Revision, die sich auf Lebensmittel- und Textilabfälle konzentriert. Bei den Textilabfällen unterstützen die Kommunalverbände und die kommunale Abfallwirtschaft die Einführung der erweiterten Herstellverantwortung, wonach die durch Textilabfälle anfallenden Kosten von der Textilindustrie zu übernehmen sind.
Da die Abfallrahmenrichtlinie jedoch nur den Überbau des Abfallwirtschaftsrechts bildet, sind die Gemeinden, ihre Betriebe und Abfallverbände natürlich auch an Verpackungsrichtlinie, Single-Use-Plastic Richtlinie, Deponierichtlinie, Klärschlammrichtlinie gebunden.
Wasser
Wasserversorgung und Gewässerschutz sind hoch emotionale Themen. Auch hier sorgt EU-Recht für Mindeststandards.
Im Bereich der Wasserwirtschaft regelt die Trinkwasserrichtlinie Mindeststandards bei der Wasserversorgung, die Abwasserrichtlinie Standards für die Abwasserbehandlung. Wobei die im Grünen Deal initiierte Neuregelung auch die Energieeffizienz von Kläranlagen angeht, gesamtstaatlich müssen diese bis 2045 energieautark werden.
Es gibt aber viele andere Regelungen des Wasserrechts, die nicht in der unmittelbaren Verantwortung der Gemeinden liegen, mittelbar aber auf lokaler Ebene wirksam werden.
An vorderster Stelle ist die Wasserrahmenrichtlinie zu nennen, deren Ziel ein ökologisch guter Gewässerzustand bis 2027 ist. Renaturierungsmaßnahmen und die Schaffung durchgängiger Fischlebensräume bilden ein Herzstück der Rahmenrichtlinie. Ergänzt wird sie von zahlreichen anderen Bestimmungen, wir der Badegewässerrichtlinie oder der Richtlinie über Qualitätsnormen für Oberflächengewässer, wo prioritäre Stoffe definiert werden, deren Konzentrationen nicht überschritten werden dürfen.
Am Ende spielen all diese Gesetze natürlich zusammen und sorgen schon jetzt für sehr hohe europäische Standards.
Energieeffizienz
Gemeinden befassen sich seit Jahrzehnten mit dem Thema Energieeffizienz, da sie als Eigentümer öffentlicher Gebäude und insbesondere Schulerhalter ein ureigenes Interesse an einem effizienten Gebäudebestand haben. Während der Bund seine Zielvorgaben aus der bereits in Kraft befindlichen Energieeffizienzrichtlinie nicht erreicht, wird in den Gemeinden laufend saniert und verbessert. Die Revision der Energieeffizienzrichtlinie unter dem Grünen Deal bringt für die Gemeinden dennoch einige Herausforderungen. Erstens fallen ab 2025 auch öffentliche Gebäude im Eigentum der Gemeinden unter das 3-Prozent-Sanierungsziel (gemessen an der nationalen Gesamtgebäudefläche). Zweitens müssen sie sich auch an allgemeinen Energieeffizienzmaßnahmen der öffentlichen Hand im Ausmaß von jährlich 1,9 Prozent beteiligen. Spannend werden Abrechnung und Anrechnung, denn für ein faires, effizientes System braucht es eine einheitliche, leicht zu bedienende Datenbank, die nun innerhalb eines Jahres aufgebaut und gefüttert werden muss.
Neben der Energieeffizienzrichtlinie spielt auch die Gebäuderichtlinie eine große Rolle. Sie umfasst den gesamten Gebäudebestand und ist insbesondere im öffentlichen Neubau relevant. Ab 2027 sind öffentliche Neubauten mit Solaranlagen auszustatten, ab 2028 können nur noch Nullemissionsgebäude errichtet werden (der Standard ist national zu bestimmen). Fossile Heizkessel dürfen ab 2025 nicht mehr gefördert werden, das Phase-out erfolgt bis 2040.
Wiederherstellung der Natur
Die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur war in den letzten Monaten sicher das kontroverseste Thema im EU-Gesetzgebungsprozess.
Grundsätzlich zum Schutz der Biodiversität und für die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme gedacht, schoss die Kommission über das Ziel hinaus und vergaß auf eine zufriedenstellende Einbeziehung der Hauptbetroffenen.
Letztlich war der Widerstand v.a. aus Land- und Forstwirtschaft so groß, dass die Zustimmung der Mitgliedstaaten zum fertig ausverhandelten Text noch immer aussteht.
Die Wiedervernässung von Mooren, Grün- und Brachflächenvorschriften sowie eine EU-einheitliche Definition gesunder Wälder waren Auslöser des Widerstands. Städte und Gemeinden sind durch Bestimmungen über städtische Ökosysteme betroffen, die den Verkehr eindämmen und für mehr städtisches Grün, vor allem in Form von Baumüberschirmung sorgen wollen. Ob der zwischen Rat und Parlament ausverhandeltete Kompromiss jemals in Kraft tritt, liegt jetzt in der Entscheidung der Mitgliedstaaten, es braucht eine Zweidrittel-Mehrheit.
Digitale Agenda
Unter dem Überbegriff Digitale Agenda verbirgt sich auch für Gemeinden so einiges. Der Data Governance Act regelt den Zugang von Wirtschaft und Forschung zu sensiblen, etwa personenbezogenen Daten. Auch wenn die Gemeinden keine Handlungsverpflichtung trifft, werden sie als Dateninhaber möglicherweise immer wieder mit Anfragen konfrontiert sein.
Der Data Act wiederum öffnet nicht nur bisher geschützte Bereiche bei IT-Produkten oder verbundene Dienste, sondern ermöglicht auch einen business-to-government Datenaustausch. Vorwiegend im Katastrophenfall kann die öffentliche Hand bei Bedarf und zur Abwehr Unternehmensdaten anfordern. Aber auch der AI-Act, das erste weltweite Gesetz zur Regelung künstlicher Intelligenz, betrifft die öffentliche Hand, wenn diese künstliche Intelligenz im Bildungswesen, bei der Personalauswahl, bei der Erbringung von Sozialdiensten oder anderer essenzieller Dienstleistungen nutzt. Dann müsste jeweils eine detaillierte Risikoanalyse durchgeführt und Aufsichts- und Beschwerdestellen eingerichtet werden.
–D. FRAISS/ H. REINDL (Der Beitrag erschien in der NÖ Gemeinde 5/2024.)
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