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10.09.2020

Karas: „Fühle mich als Gemeinderat in Europa“

Othmar Karas, Vizepräsident des Europäischen Parlaments erläuterte in seinem Impulsvortrag Maßnahmen und Lehren der Europäischen Union in der Krise. Die Europäische Union findet in jeder Gemeinde statt. Rund 94 Prozent des EU-Budgets werden in den Regionen und Gemeinden investiert. Der Aufbauplan „Next Generation EU“ und das EU-Langzeitbudget geben uns den notwendigen Finanzierungsschub, um gemeinsam den Wiederaufbau nach der Corona-Krise zu schaffen und Antworten auf die wesentlichen Zukunftsfragen wie Klimawandel, Digitalisierung und sozialen Zusammenhalt zu finden. Vor jeder Haustür gibt es EU-Projekte, welche die Infrastruktur stärken, ökologische und digitale Impulse setzen und das soziale Zusammenleben verbessern.

Das letzte Mal, als Othmar Karas im Rahmen einer Diskussion in Bad Aussee war, wurde gerade das Ibiza-Video veröffentlicht. Jetzt stehen wir mitten in einer globalen Corona-Krise. Es ist eine schnelllebige Zeit, die richtige Antworten braucht. Das Salzkammergut mit Bad Ischl an der Spitze und 19 verschiedenen Gemeinden zeigt etwa bei der Zusammenarbeit zur Kulturhauptstadt 2024 vor, wie Kooperation und damit auch Europa funktioniert.

Zusammenhalt ist gefragt

Heuer ist es, laut Karas, genau 70 Jahre her, dass Robert Schumann mit seiner Erklärung für ein gemeinsames Europa den Grundstein für EU legte. In Anlehnung an Schumans Rede betonte Karas: „Wir brauchen jetzt schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Herausforderungen entspricht. Der Nationalismus, der Protektionismus und der Egoismus sind keine schöpferischen Anstrengungen. Sie sind immer spaltend und schuldzuweisend und dabei auch nie kooperierend und lösend.“

Die Antwort auf Globalisierung ist die Europäisierung. Die Stärkung eines Europa, wo Zusammenhalt und Freiheit zu spüren sind, wo die Menschen leben: in den Gemeinden. Europa hat in den nächsten Jahren nur mehr vier Prozent der Weltbevölkerung. Im globalen Maßstab ist Europa damit ein Dorf. Und die Pandemie zeigt, dass es keine nationalen Grenzen als Antworten auf globale Herausforderungen gibt.

Gemeinde als eine der vier Ebenen der Demokratie

Die Krise zeigt auch, dass der Lebensraum Gemeinde gestärkt werden muss und wir die Kooperation mit den Nachbarn suchen müssen. Europäische Demokratie hat vier Parlamente: Das Gemeinde-, Landes-, Nationale- und EU-Parlament. Auf allen Ebenen werden Mandatare direkt gewählt, die damit die europäische Demokratie ausmachen. Alle Menschen sind Bürger der Gemeinde und mit gleichen Rechten und Pflichten auch Bürger der EU. Es geht dabei, laut Karas, nie um Entweder-Oder, es geht immer um ein Miteinander und dort, wo man Verantwortung hat, das Beste daraus zu machen. Karas selbst sieht sich als Gemeinderat in Europa, weil alle das Interesse haben, den gemeinsamen Lebensraum miteinander zu gestalten. Wird eine der vier Ebenen beschnitten, kann man die Aufgabe fürs große Ganze nicht erfüllen.

Kräfte bündeln, um Herausforderungen zu begegnen

Karas zitiert wieder Robert Schumann: „Die EU entsteht nicht mit einem Schlag. Sie ist keine einfache Zusammenfassung. Sie wird durch Ereignisse entstehen, die eine Tat der Solidarität verlangen.“ Diese Tat der Solidarität heißt heute Zusammenarbeit, denn die Herausforderungen und Ereignisse, die vor uns stehen, können wir nicht als Kommune, oder als EU alleine bewältigen. Heute werden in Europa verstärkt Kräfte gebündelt, um Wohlstand Demokratie und Frieden zu sichern. Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen betonte: „Wenn man so viel Geld in die Hand nimmt, um gegen zu steuern, dann muss man für die nächsten Generationen wenigstens eine lebenswertere, klimaneutralere, sicherere und digitalere Zukunft hinterlassen.“

Gegen Corona wird es vielleicht einen Impfstoff geben, doch gegen den Klimawandel, gegen die Flüchtlingskrise, gegen soziale Spaltung wird es keinen Impfstoff geben. Noch nie seit 1870, außer zur Zeit der beiden Weltkriege, gab es gleichzeitig so viele Länder, deren Wirtschaft schrumpft, wie heute. Die Auswirkungen der globalen Ungleichheiten werden verstärkt. Die Demografie, das Stadt-Land-Gefälle trägt laut Karas das Seine zu dieser sozialen Spaltung bei.

Invesitionen in Regionen schaffen Wertschöpfung

Die Zukunft Europas beginnt in den 300.000 Gemeinden. Die Gemeinden sind das Rückgrat der Demokratie, die am nächsten zu den Menschen sind. 94 Prozent des gesamten EU-Budgets wird in den Regionen investiert. Aus einem Euro aus dem EU-Haushalt entstehen drei Euro Investitionen in den Regionen. Aus dem EU-Beitrag Österreichs haben wir etwa eine Wertschöpfung von 35 Milliarden Euro. Jeder Euro Mitgliedsbeitrag ist ein Beitrag für gemeinsames Handeln. Das nächste mehrjährige Budget bringt eine Neuordnung der Investitionen in den Gemeinden und Regionen Europas. Europa muss mit dem Budget die Zukunft besser gestalten und die Einmaligkeit und Rolle in der Welt stärken.

Es braucht aber auch eine bessere Kommunikation zu den Investitionen in den Regionen. So wurde etwa das Naturschutzprojekt Ausseerland zur Hälfte aus Mitteln der EU finanziert. Und 375 Gemeinden haben vom WIFI-4-EU Projekt profitiert. Der Weg zur Klimaneutralität ist nicht möglich, wenn wir sie nicht in den Haushalten und Gemeinden umsetzen. Zum „Next-Generation-Plan der EU“ betonte Karas, dass das Parlament klare Kriterien, wie Zukunft, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zur Zustimmung des EU-Parlaments formuliert hat. Es könne nicht sein, dass so viel Geld aufgenommen wird, aber die Zweckbindung zur Einhaltung europäischer Werte nicht garantiert ist. Kein Zutrauen mehr, dass wir Geld an Staaten geben, wo wir wissen, das Geld nicht richtig verwendet wird.

Europa als Gemeinde in der Welt

Es sei nun notwendig, die Rolle in Europa neu zu denken. Man müsse Europa als Gemeinde in der Welt verstehen und jede österreichische Gemeinde ist eine Katastralgemeinde der Gemeinde Europas. Der Souverän ist dabei überall der gleiche: Die Bürgerinnen und Bürger.

REDAKTION

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