Nora Haider

Digitalisierung

Oberösterreich

21.02.2024

Künstliche Intelligenz und Gemeinden – wie passt das zusammen?

Reinhard Haider, Amtsleiter der Gemeidne Kremsmünster spricht im Interview mit Prof. Andreas Stöckl (Leiter des Departments Digitale Medien an der FH Oberösterreich Campus Hagenberg) über künstliche Intelligenz und die Herausforderungen mit KI-Systemen in den Gemeinden.

Reinhard Haider: Die Künstliche Intelligenz findet zwischen genial und fatal statt. Was ist KI überhaupt und wie siehst du das im Überblick ?

Prof. Andreas Stöckl: „Die KI-Systeme wie ChatGPT, die derzeit stark in Diskussion sind, sind Softwaresysteme, die uns helfen können, kognitive Routinetätigkeiten zu erledigen. So wie uns Maschinen helfen körperliche Arbeit zu verrichten. ChatGPT ist also ein Sprachmodell und ist nützlich. Wir fragen was wir wissen wollen und wenn es Fakten zum Thema gibt, dann erhalten wir zu 90 % gute Antworten. Es gibt heute keine 100 % mehr, das ist die alte Denkweise ohne Fehlerkultur. Die Anwendungen könnten ganz unterschiedlich sein, siehe unten. Generell ist das Bild der KI aus meiner Sicht zu stark von Science Fiktion geprägt und weniger von echtem Verständnis.“

Wir können ChatGPT aus allen Blickwinkeln sehr unterschiedlich betrachten, eines hat die Silicon-Valley Firma OpenAI geschafft, nämlich die Künstliche Intelligenz vom Hinterzimmer in aller Munde zu bringen. Nicht nur IT-Nerds haben das Thema nun im Fokus, sondern auch Wissenschaft und Politik. Damit ist es in der Gesellschaft angekommen und löst auch Angst wegen der bevorstehenden Änderungen aus. Berechtigt ?

„Die Angst entsteht wie so oft aus Unwissenheit wie die Systeme funktionieren und was sie können. Da muss Aufklärungsarbeit geleistet werden. Und der Mensch hat immer Angst vor Veränderungen, das verhindert die Änderungen aber nicht. In diesem Fall ist der direkte Vergleich mit dem Menschen (Intelligenz) das Problem. Es ist besser sich darauf vorzubereiten und sich anzupassen. In vielen Bereichen werden sich Tätigkeiten und Berufsbilder massiv verändern. Darauf müssen wir uns als Gesellschaft einstellen.“

Gemeinden und Städte bieten vielfältige Arbeitsplätze. Das reicht vom Bürojob über den Wirtschaftshof, die Schul- und Gebäudebetreuer bis hin zur Kinderbildung und -betreuung sowie anderen Sozialdiensten. Welche Chancen und Risken siehst du für unsere Arbeitsplätze ?

„Ich sehe die Chancen darin, dass wir durch KI-System Unterstützung bei kognitiven Routinetätigkeiten erhalten und dadurch Ressourcen frei werden, die in anderen Bereichen gewinnbringend eingesetzt werden können, und zwar in allen Bereichen in den mit Menschen gearbeitet wird, z.B im Sozialbereich und im Wirtschaftshof. Als Risiko sehe ich, wenn wir uns nicht schnell genug auf die neuen Technologien einstellen und anpassen.“

Welchen Einfluss wird die KI auf die Politikerinnen und Politiker von Ländern und Gemeinden haben, insbesondere bei der Entscheidungsfindung ?

„Wenn sich die Politiker durch KI-Systeme bei den Routinetätigkeiten entlasten lassen, dann haben sie mehr Zeit zum Nachdenken und Entscheidungen finden. Die gesellschaftlichen Änderungen sind das eigentliche Thema. Der Staat muss anstelle von Regulatorien ordentliche Rahmenbedingungen schaffen und kein Weltuntergangsszenario. Das ist eine wichtige Aufgabe der Politik. Und zwar jetzt gleich, nicht erst in einigen Jahren. Jetzt sollten wir mitgestalten, Angststarre macht es schlimm.“

Wie steht es um den Wahrheitsgehalt und die Zuverlässigkeit der Informationen der KI-Software wie ChatGPT, Google-Bard & Co im Vergleich zu etablierten Werken wie Brockhaus-Online und Wikipedia ?

„Die Frage ist falsch gestellt und wird auch in der Öffentlichkeit meist falsch gesehen. Diese Sprachmodelle, wie die oben genannten sind keine Wissensdatenbanken und sollten auch nicht als solche verwendet werden. Es sind spezielle Datenverarbeitungssysteme für Textdaten. Erst wenn sie zusammen mit Wissensquellen eingesetzt werden, entfalten sie ihre wahre Stärke. Derzeit werden sie oft falsch eingesetzt, aus mangelndem Verständnis über deren Funktionsweise und Möglichkeiten.“

In der Financial-Times am 1. Juni 2023 war vom Chip-Startup Graphcore zu lesen, dass es – nachdem die Computerchips nun Molekülgröße erreichen – die Computer leistungsfähiger bauen will, damit die KI-Software besser läuft und diese dann wiederum leistungsfähigere Computer bauen kann. Das klingt dystopisch und wirft die Frage nach der Existenzberechtigung der Menschen auf ?

„Die Hardware wird in den nächsten Jahren deutlich leistungsfähiger werden und damit die KI-Systeme. Wieso stellt das die Existenz des Menschen in Frage?“

Welche Herausforderungen und Bedenken müssen beim Einsatz von KI speziell im kommunalen Bereich berücksichtigt werden?

„An der Schnittstelle zum Menschen dürfen keine KI-Systeme geschaffen werden, die entweder die Menschen überfordern und die Rechte der Menschen verletzen. Das trifft immer zu, aber für die Verwaltung im Besonderen.“

Kann die KI dabei helfen, die Effizienz und Nachhaltigkeit der Gemeinde-Infrastruktur wie Kanal, Wasser und Straße, aber auch von PV-Anlagen, Abfallanlagen, Unfallhäufungspunkten oder Vermeidung von Naturkatastrophen wie Hochwasser zu verbessern?

„Ja, indem es die administrative Arbeit erleichtern und beschleunigen wird. Die KI kann auch für die Gemeinde- und Stadtentwicklung von besonderem Nutzen sein, weil sie hilft große Datenmengen zu verarbeiten und objektive datengetriebene Entscheidungen zu treffen.“

Sprachsteuerung ist stark am Vormarsch. Wie können KI-gestützte Chatbots und virtuelle Assistenten den Kundenservice und die Interaktion der Bürgerinnen und Bürger mit der Gemeindeverwaltung verbessern?

„Hier sind intelligente Systeme für den Kundenservice technisch denkbar. Das sollten aber nicht die einzigen Systeme sein, weil sonst die Zugänglichkeit für mache Zielgruppen leidet.“

Gibt es ethische Aspekte von KI, die wir im kommunalen Bereich berücksichtigen müssen, insbesondere in Bezug auf Diskriminierung und Vorurteile?

„Die derzeitigen KI-Systeme wie zum Beispiel die großen Sprachmodelle haben von uns als Gesellschaft viele Vorurteile „geerbt“ das sollte beim Einsatz bewusst sein. Autonome Entscheidungen der Systeme sind daher kritisch zu sehen.“

Wie können Gemeinden den Einsatz von KI in ihren Verwaltungsprozessen planen und umsetzen?

„Zuerst Know-how-Aufbau, um die Systeme für die Konzeption verstehen zu können. Start mit kleinen Pilotprojekten. Schnell in das Handeln kommen. Durch das E-Government wurde in den letzten Jahren viel Vorbereitungsarbeit geleistet, z.B. bei E-Formularen mit der Dateneingabe und -übergabe in die Systeme.“

Welche konkreten Vorteile und Anwendungen gibt es bereits für künstliche Intelligenz im kommunalen Bereich, für die Bürgerinnen und Bürger aber auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ?

  • Routinetätigkeiten, die allerdings weit gefasst sind, also von Verwaltungstätigkeit im Büroalltag bis zur Buchhaltung, über eine neue Landeshymne texten bis hin zu Marketing und Softwareentwicklung. 90 % der Verwaltungsarbeit ist Routine. Im Detail:
  • Generell Informationen strukturieren, z.B. Versicherungs-Routinefälle erledigen, qualitative Umfragen oder (Unfall)Berichte mit individuellem Text auch in tausendfacher Ausfertigung erfassen und auswerten, Berichte schreiben
  • E-Mails automatisiert beantworten
  • Marketingkampagnen planen, Unterstützung bei der Kommunikation
  • Redengenerator ist bereits eine Standardanwendung, wird genützt von Rednern aller Art, Politikern, Priestern und auch für Trauungen.
  • Juristische Texte scannen und zusammenfassen/interpretieren
  • Publikationen erstellen
  • Papier- und PDF-Rechnungen einlesen und in Buchhaltungssysteme einspielen (was der Mensch erkennt, erkennt auch die KI)
  • Buchhaltungsdaten auswerten und Bilanzen analysieren
  • Software schreiben
  • … und vieles mehr.

– R.HAIDER (Quelle: OÖ Gemeindezeitung)

 

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