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Recht

01.03.2024

Nach tragischem Unglück im Dorfteich: Bürgermeister verurteilt

In einer deutschen Gemeinde ereignete sich ein Zwischenfall, der noch lange Zeit Konsequenzen nach sich zog und zieht. Vor über sechs Jahren starben in einem Dorfteich in Neukirchen in Hessen drei Kinder durch Ertrinken. Erstmals wurde in Deutschland ein Bürgermeister wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, weil er angeblich seiner Sicherungspflicht an einem Dorfteich nicht nachkam. Hunderte Kommunen sperrten nach unseren Berichten vorsorglich ihre Gewässer und Badeseen ab. Lange zieht schien es um den Fall still geworden zu sein. Doch nun ging vor dem Landgericht alles doch sehr viel schneller, als gedacht.

Bürgermeister wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

Zunächst vier Verhandlungstage waren angesetzt, um sechs Jahre nach dem tragischen Unglück im nordhessischen Neukirchen endlich die Schuldfrage zu klären. Damals waren drei Kinder in einem Dorfteich ertrunken. Das zuständige Amtsgericht hatte den Bürgermeister verurteilt, er sei seiner Sicherungspflicht nicht nachgekommen. Gleich am zweiten Verhandlungstag fiel nun das Urteil am Landgericht: Und das fällt noch schärfer aus als das des Amtsgerichts.

Paukenschlag im Dorfteich Prozess um den ehemaligen Bürgermeister von Neukirchen, Klemens Olbrich. Der zuständige Richter am Landgericht Marburg, Sebastian Pfotenhauser, schreibt mit seinem Urteil und vor allem der Begründung allen Bürgermeistern in Deutschland klare Worte in ihr Pflichtenheft. Die beiden vielleicht wichtigsten Sätze aus dem gestrigen Urteil lauten wie folgt:

1. „Sie als Bürgermeister sind dafür verantwortlich, dass in ihren Liegenschaften keine Unbeteiligten zu Schaden kommen“. 

und der zweite Satz:

„Weil es Kinder waren, die sich nicht schützen konnten, mussten Sie sie schützen“. 

Viel deutlicher konnte der Vorsitzende Richter die Aufgaben eines Bürgermeisters kaum beschreiben. Die Beweisaufnahme wurde bereits deutlich früher beendet, als geplant. Der Richter betonte, dass sein Urteil unabhängig sei von weiteren Details in diesem Fall. Dabei geht es vor allem um ein Versicherungsschreiben, das auf einmal auftauchte, das der Bürgermeister aber nicht gekannt haben will. Der Richter dazu wörtlich: „Auch unabhängig von dem Schreiben hätten Sie eingreifen müssen, weil Sie als Bürgermeister dafür verantwortlich sind, dass in Ihren Liegenschaften keine Unbeteiligten zu Schaden kommen“. Aber der Reihe nach….

Dorfteich Urteil ist noch schärfer als in der ersten Instanz

Im Juni 2016 waren drei Kinder im Alter zwischen fünf und neun Jahren in einem Dorteich des Ortes ertrunken. Vermutlich hatte eines der Kinder am Wasser gespielt und war in den Teich gefallen. Beim Versuch der anderen beiden Kinder, Hilfe zu leisten, verunglückten diese ebenfalls. Die Kinder konnten offenbar nicht schwimmen. Die Uferböschung war gepflastert und hatte eine rutschige Uferböschung.

Das Amtsgericht verurteilte den Bürgermeister damals wegen der Verletzung der Sicherungspflicht zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro. Dagegen legte der Angeklagte Berufung ein. KOMMUNAL hatte damals in zahlreichen Beiträgen über das Urteil und die Folgen berichtet.

Nach dem Urteil des Amtsgerichts tauchte auf einmal ein Versicherungsschreiben auf. Es stammt aus dem Jahr 2014 und die Versicherung hatte der Kommune damals aus haftungsrechtlichen Gründen empfohlen, das Gelände rund um den Teich einzuzäunen beziehungsweise abzusichern. Der damalige Bürgermeister will das Schreiben nicht gekannt haben. Das jedoch glaubte ihm das Landgericht nicht. Olbrich betonte, er habe den Teich nicht als gefährlich wahrgenommen. Es habe auch nie Hinweise aus seiner Verwaltung oder von Dritten, etwa aus der Bevölkerung gegeben. „Die Notwendigkeit von Sicherungsmaßnahmen war nie ein Thema“, so der Angeklagte.

Gericht sieht „Versagen des Bürgermeisters“

Die Staatsanwaltschaft forderte in dem Fall eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung sowie eine Geldauflage. Dem folgte das Gericht nicht. Der Richter erklärte aber, dass er sein Urteil unabhängig von dem Versicherungsschreiben gefällt habe  – und beendete die Beweisaufnahme daher früher. Ursprünglich waren vier Verhandlungstage angesetzt.

Das Urteil geht dennoch über das Urteil der ersten Instanz hinaus. Aus der damaligen Strafe von 12.000 Euro wurden nun 180 Tagessätze und somit insgesamt 14.400 Euro Geldstrafe. Die Begründung der Kammer: „Der Unfall war zweifellos vermeidbar, wäre der damalige Bürgermeister seiner Sicherungspflicht nachgekommen. Der Angeklagte hat diesbezüglich schlicht und einfach versagt“. Harte Worte, gegen das Urteil ist Revision möglich. Der Angeklagte und sein Anwalt haben sich gestern noch nicht geäussert, ob sie das Urteil anfechten wollen.

-C. ERHARDT (erschienen auf KOMMUNAL.de)

Über den Autor

Christian Erhardt ist Chefredakteur beim KOMMUNAL Deutschland.

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